Werden Kleinbildfilmrollen-selber-Entwickler und „echte“ Fotografen noch mit mir sprechen?
Es gab in unserer Kamerafamilie Nachwuchs. Nichts wirklich großes, aber vielleicht eine kleine Vorstellung wert: eine Fujifilm X-A7.
Seit längerem taten sich zwei große Lücken bei uns auf:
- es fehlte eine „einfache“ Kamera, die man auch ohne lange Einweisungen bedienen kann und nicht gleich mehrere Schalter und Rädchen verstellt, sobald man den Body in die Hand bekommt.
- es fehlte eine „Backup“-Kamera. Irgendetwas kleines, dass bei wichtigen Ereignissen in einer Ecke schlummert – nur für den Fall der Fälle…
Innerhalb Fujifilm geblieben
Es gab gute Gründe, bei einem Hersteller zu bleiben, von dem man bereits einiges nutzt:
- Die hervorragenden XF-Objektive passen
- Der Akku ist der gleiche wie in der X-T2
- Teile des Kameramenüs sind ähnlich aufgebaut (dazu weiter unten mehr)
Infos über die Specs könnt Ihr bei Fujifilm anschauen. Hier möchte ich nur etwas über meine persönlichen Eindrücke erzählen.
Ganz unterschiedliche Bedienkonzepte
Vielleicht ist es falsch, erst die vielen Gemeinsamkeiten der beiden oben abgebildeten Kameras aufzuführen. Denn die X-A7 ist keine „abgespeckte“ Version einer größeren Schwester. Wenn man die nämlich so betrachtet, fallen viele Dinge auf, die man im Vergleich vermisst. Ich kann Leute mit Bodys einer der erwachseneren Linien der T- oder Pro-Serie nur warnen. Die X-A7 kann als Vergleichsgerät nur enttäuschen.
Die zwei „Seelen“ der Fujifilm X-A7
Ich habe mich – das Programm-Rädchen neben dem Auslöser sehend – zunächst über das klassische Point-and-shoot-Konzept heran begeben. So wie früher… . Das Stellrad zwischen den verschiedenen Modi M, A, S, P, und so weiter hin und her gedreht und ausgelöst. Und dann mit den mir bekannten Tasten für Menü und dem Joystick rumgeopert. Ich denke, dass das Fuji so anbieten muss, denn es gibt ja viele Menschen, denen dieses vertraut ist.
Aber das ist aus meiner Sicht der völlig falsche Zugang und eine richtige Spaßbremse. Denn, wenn man so ein paar Grundeinstellungen erst richtig vorgenommen hat….
…dann nimmt man sich das Touch-Display und stellt sich das wie eine Kamera-App auf dem Smartphone vor. Und damit ist doch heute jeder bestens vertraut. Gerade Neueinsteiger zu einer solchen Kamerakategorie haben es dadurch ganz einfach. Auf Symbole tippen können alle. Am besten funktioniert das, wenn das Display an die Kamera angeklappt ist.
Ja, und dann hat man plötzlich praktisch eine Art Super-Smartphone vor sich: mit Mega-Sensor und mit Mega-Optik davor. Und im Vergleich zum Smartphone wesentlich mehr Einstellmöglichkeiten, wenn man diese dann suchen sollte.
Am meisten gefällt mir oben links der runde Kreis für „Shot“. Einfach auf die Stelle mit dem Finger klicken, die scharf sein soll – und es macht Klick!
Achtung: Grundeinstellung bei AF-S steht auf Prio Auslösung vor Prio Schärfe – ist doch Quatsch. Muss auf AF-S Prio Focus umgestellt werden. Sonst bekommt man zwar Fotos, aber ganz viele unscharfe!
Und diese Eigenschaft des nur-mit-dem-Finger-auf-Display-tippen wirkt sehr schön einfach und ist haptisch klasse – packt mich aber auch etwas unangenehm an der „Fotografen“-Ehre. Kann doch nicht sein, dass ein „echter“ Fotograf so arbeitet…. siehe Eingangssatz.
Leider muss man sich im Vergleich zu den Smartphone-Apps daran gewöhnen, dass in der Menüführung nicht alles gleichmäßig aussieht. Das „Standard-Menü“ besteht aus runden Kreisen am Bildrand, das normale Fuji-Q-Menü aus rechteckigen Kacheln über dem gesamten Bildfeld und die Grundeinstellungen aus Listen, denen man nach rechts folgt. Hier wäre es schön, wenn man da einen einheitlichen Look entwickelt hätte. Aber wenn man das weiss, klappt es wieder gut.
Wenn da nicht oben drauf noch das ominöse alte Rädchen mit M, P undsoweiter wäre. Aber dieses ist hier keine Anklage: die Kamera kann man einfach einem Smartphone-Nutzer in die Hand geben. Und es wird sehr wahrscheinlich funktionieren.
Bildqualität
Habt Ihr gesehen, dass ich auf dem obersten Bild im Beitrag bei dem mitgelieferten Kit-Zoom die hässliche und billig wirkende weisse Schmutzkappe drauf gelassen habe? Nicht ohne Grund. Wenn man genügend Alternativen im Haus hat, sollte man auf eine Nutzung verzichten. Die Lichtstärke ist mit max f/3.5 im Weitwinkelbereich nicht wirklich eine Leuchte. Da würde ich immer versuchen, zumindest das XF18/f2 drauf zu haben. Ich traue diesem Kit-Leichtgewicht nicht über den Weg. Wirkt so plastic-fantastic.
Aber vielleicht muss man dem auch einfach mal eine Chance geben. Gerade bei der Motiv-Vollautomatik hatte ich bei ein paar Versuchen den Eindruck, dass diese passgenau auf das Kitzoom programmiert wurde. Da erlebt man in einer dunklen Szene eine f/4-Blende und nur 1/27sec. Verschlusszeit, obwohl das f/2-Objektiv da noch viel Spielraum hatte. f/4 war wohl eher die Vorgabe für das (nicht genutzte) Kit-Objektiv.
Entwicklung der Fotos
Seit ein paar Wochen arbeite ich mich langsam in Capture One ein – immer mal wieder ein Stück weiter. Eigentlich ein 2020-Projekt, davon muss ich später mal schreiben. Ist eine andere Geschichte.
Die hier im Blog gezeigten Bilder wurden aus RAWs mit Capture One bearbeitet. Mein altes Adobe Lightroom ist schneller als gedacht aus dem Rennen. Das neueste Capture One-Update lieferte jetzt den passenden Konverter. Die Jpgs, die die Kamera lieferte, waren zwar o.k., aber irgendwie bin ich es inzwischen zu sehr gewohnt, solche Bilder nicht völlig unbearbeitet zu lassen.
Was man noch wissen sollte: es scheint keine RAW-Komprimierung in der Kamera zu geben. Wahrscheinlich übersteigt es die Rechenleistung. Das bedeutet aber auch, dass jedes RAW fast 50Mb groß ist.
Mein erster Eindruck
Generell liefert die Fujifilm X-A7 sehr gute Ergebnisse ab. Die Raws sind o.k., auch wenn der Sensor nur eine maximale ISO von 6400 zulässt. Das ist heutzutage nicht mehr viel.
Grundsätzlich ist in der Kamera ja ein einfacherer APS-C CMOS Sensor als in anderen Serien verbaut. So Effekte wie „rolling-shutter“, die im elektronischen, geräuschlosen Auslösen vorkommen, sind bei der X-A7 nach erstem Eindruck ziemlich groß. Anscheinend ist die Auslesegeschwindigkeit des Chips recht langsam. Bei Kunstlicht sollte man deshalb besonders vorsichtig sein, sonst gibt es wieder viele dunkle horizontale Balken im Bild.
Die Bedienung für Smartphone-Gewöhnte ist leicht. Und mit diesen beiden Merkmalen erfüllt sie meine Erwartungen. Ein-Schalter drücken, Bildausschnitt festlegen und mit dem Finger auf das Hauptmotiv tippen. Fertig.
Die Belastbarkeit von Kamera und insbesondere der Achse des Displays ist nicht mit der X-T2 oder 3 vergleichbar. Da hat man schon etwas Angst, dass man den Bildschirm bei falscher und zu grober Behandlung abbrechen könnte. Vielleicht ist das auch so ein persönlicher Eindruck, einfach von der Robustheit der X-T2 viel zu verwöhnt. Mein Eindruck: Fällt die X-T2 hin, geht sie nach Aufheben wahrscheinlich nicht mehr richtig. Fällt die X-A7 hin, kann man die Einzelteile wohl am besten auf ein Kehrblech zusammenfegen.
Preis – Leistung?
Grundsätzlich finde ich den Preis der X-A7 an der absoluten Schmerzgrenze. Wenn da ein paar persönliche Faktoren wie der Besitz von Linsen hinzukommen, wird er einigermaßen annehmbar. Vielleicht ist das aber auch eine falsche Sichtweise. Smartphone-Hersteller werben für ihre „tollen“ Kameras und fordern dafür Preise im vierstelligen Eurobereich. Da sind solche Preishöhen längst akzeptiert. Dafür bekommt man dafür allerdings auch ein „Rundum-Sorglos-Paket“ innerhalb eines Gerätes, von der Aufnahme über die Bearbeitung bis hin zu Speicherung und Versenden. Diese Module hat die X-A7 nicht an Bord. Eine Kopplung mit meinem aktuellen Android-Smartphone über die Fuji-App wirkte recht kompliziert. Allein schon die Mischung/Auswahl von Bluetooth und WLan.
In den Abmessungen ist die Kamera auch deutlich dicker. Das Objektiv lässt sich nicht bündig einfahren und kann man die Kombi nicht einfach in jede Tasche stecken.
Wer eine „richtige“ Kamera sucht, sollte lieber eine alte X-T2 oder eine X-E3 kaufen. Die kosten auch nicht so viel mehr als die X-A7 und sind nicht nur bei Verarbeitung und Haptik in einer ganz anderen Liga zuhause. Das XF-Kitobjektiv dazu wirkt auch deutlich besser. Vielleicht kann man auch je nach Geldbeutel noch nach einer X-T3 oder Pro-irgendwas schauen.
Sobald ich die X-A7 aus der Hand lege und zur X-T2 greife, fühle ich mich grundsätzlich viel wohler. Mehr Kontrolle, größere Robustheit, bessere Griffigkeit. Hört sich nach einer einfachen Sammlung von Schlagwörtern aus einem Verkaufsprospekt an. In diesem Fall habe ich das aber genau so wahrgenommen.
Allerdings freue ich mich schon darauf, wenn wir in unserer Familie anhand von richtig guten Fotos Erlebnisse teilen und mitteilen können, die nur einzelne von uns gemacht haben und die keine X-E2 oder X-T2 mit hatten. Ich kann mich noch erinnern, wie ich so manches Mal in Adobe Lightroom vor Bildern saß, die an Top-Location bei Top-Stimmung mit gutem Auge für Bildkomposition und -Zeitpunkt aufgenommen wurden – und die Mist-Qualität der Daten der alten Point-and-Shoot-Kamera oder Telefon einen an den Rand der Verzweiflung brachte.
Die Aufnahmen mit der X-A7 in diesem Beitrag wurden mit unterschiedlichen „richtigen“ Primelinsen gemacht (siehe Untertext) – und die Bilder von den Kameras mit einer uralten X-E1 – also noch mit einer „richtigen“ Kamera…
4 Gedanken zu “Fujifilm X-A7 – fotografieren auf Smartphone-Art”
Oh, ich lobe mir meine Beschränkung auf Zeit und Blende 🙂
Irgendwie ist mir so viel Menü einfach zu viel.
Mir wäre auch dieses ganze Teilen von Bildern viel zu stressig. Und das mcht es mir so schwer, mich für eine digitale Kamera zu entscheiden…..
Aber Menschen mit einem offenen Blick sprechen auch mit Menschen mit einem offenen Blick 🙂
Lieber Gruß
Kai
Hallo Kai,
es gibt so viel LIcht auf der Welt. Jeder kann so viel mit seiner Kamera einfangen, wie er möchte, ohne anderen Fotografen etwas wegzunehmen. Ich finde, dass man unter den scheinbar unendlich vielen Wegen den oder die auswählen sollte, die dem eigenen Wunsch oder Zweck dienen. Für manche Ziele ist eine analoge Vorgehensweise wie bei Dir unschlagbar gut. Und für andere Aufgaben braucht man andere, eher pragmatische Lösungen. Ich bin mal gespannt, ob meine Erwartungen da erfüllt werden.
Grüße in den Norden
Jürgen
Kannst Du Unterschiede zum X-Trans-Sensor aus machen?
Hallo Klaus,
leider kann ich das bisher weder bestätigen noch dementieren. Ich hatte schon überlegt, sehr zeitnah mal Vergleichsfotos zu machen. Aber was soll ich dann genau vergleichen. Die Jpg-Engines in den Kameras wird Fuji schon so eingestellt haben, dass sie mögliche Defizite überspielen wird. Und mit den Raws. die ich jetzt in Capture One vergleichen könnte? Das hängt dann davon ab, wie gut C1 die Daten analysiert. Vielleicht haben sie sich mit dem schon „alten“ Sensor der X-T2 und ähnlichen schon länger und mehr beschäftigt als mit dem der kleinen, neuen X-A7. Das Klientel der C1-Nutzer von X-A7-Besitzern dürfte auch entsprechend klein sein. Wahrscheinlich wird im Laufe der Zeit eher so ein „besser/schlechter“-Gefühl bei mir entstehen. Aber ob das mit den tatsächlichen Daten zusammenhängt?
Klar ist, dass die Auslesegeschwindigkeit deutlich langsamer ist (rolling shutter) und die Rechenleistung im Gerät auch sehr viel geringer (keine komprimierten Raw, geringer RAW-Aufnahmepuffer). Trotzdem scheint der Akku dank des großen hellen Displays nicht besonders lang durchzuhalten. Deshalb würde ich jedem, der ein Gefühl für Fotografie entwickeln möchte oder sich damit schon etwas auskennt raten, eher eine andere Variante aus dem Fuji-Stall oder anderer Marken zu wählen.
Aber eines ist an dem Ding halt praktisch – und das habe ich schon mit mehreren Personen durchgespielt: wenn man zeigt, wo der Ein-Schalter ist und erklärt, dass bei unserer Standard-Voreinstellung ein Fingerdruck auf dem Teil des Displaybildes reicht, um dort zu focussieren und auszulösen, hat man alles notwendige gesagt. Es funktioniert. Und wer dann mehr Interesse hat, kann ja auf dem Display weiter rumspielen… so wie beim Smartphone. Es sind glücklicherweise nur wenige Schalter und Rädchen am Gerät. X-Tans-Sensor besser oder nicht, das interessiert dann in dieser Anwendergruppe nicht mehr so sehr.
Jürgen