„Die Cashcows haben einen hohen relativen Marktanteil in einem nur geringfügig wachsenden oder statischen Markt. Sie produzieren stabile, hohe Cash-Flows und können ohne weitere Investitionen „gemolken“ werden. Eine Festpreisstrategie oder Preiswettbewerbsstrategie ist angebracht.“
(copy/paste aus: Wikipedia)
Jetzt ist es offiziell
Adobe wird sein Bearbeitungs- und Archivierungsprogramm Lightroom in der „Kauf“-Version nicht mehr aktualisieren. Ein reines Abo-Modell mit monatlichen Zahlungen, das ja seit längerem bereits besteht, soll es ersatzlos ablösen.
Irgendwie haben wir das alle schon lange geahnt! Adobe hat durch sein Versteckspiel mit der Kaufversion uns immer wieder signalisiert, dass sie hier nicht mehr weiter dran interessiert sind. Das ist ja sehr verständlich. Je ausgefeilter die Kaufversion wurde, desto geringer der Wunsch der Kunden nach kostenpflichtigen Upgrades. Eine Sackgasse für jeden Konzern.
Was ist der Unterschied von CC zu anderen Cloud-Abo-Modellen?
Viele Softwarehersteller wechseln inzwischen zu Varianten, die einen regelmäßigen Zahlungseingang garantieren. Aber Lightroom CC unterscheidet sich gravierend von anderen Programmen wie Microsoft Office und ähnlichen. Denn während ich bei Office-Produkten das Objekt nach Bearbeitung wieder komplett in den Händen halten kann, füttere ich Lightroom CC mit meinen eigenen Sammlungen, Entwicklungseinstellungen und vielem mehr, ohne dass ich diese zu einer Nutzung mit anderer Software zurück bekomme. Mein „geistiges Eigentum“ bleibt dort. Ein tolles Geschäftsmodell. Abhängig und ausgeliefert.
Wo geht die Reise bei Adobe hin?
Adobe macht alles richtig! Zumindest aus der Sicht von Adobe.
Zu der ganzen Diskussion möchte ich einfach mal ein paar betriebswirtschaftliche Überlegungen hinzufügen. Adobe ist ein Konzern, dessen oberstes Ziel die Gewinnmaximierung ist. Nichts anderes. Die alte Kaufvariante ihrer Software stand dem entgegen. Wer Gewinn mit Nutzer-Zufriedenheit verwechselt, der irrt leider. Adobe ist auf dem richtigen Kurs. Die Unternehmensführung wird nicht durch langjährige Nutzer, sondern durch die „Geld-„Seite eingestellt. Und dieser dient sie sehr, sehr erfolgreich.
Cash Cow Lightroom
Marktwachstum versus Marktanteil – Zeit für eine BWL-Stunde
Machen wir uns nichts vor. Der Markt für reine „Fotos“ ist nicht mehr sehr innovativ. Wer im nächsten Jahr ein Fotobuch in der Hand hält oder ein Wandbild betrachtet, wird nicht staunend davor stehen und „Wow! Das muss das neue Lightroom-CC sein!“ rufen. Die Zeiten sind vorbei. Normalo-Fotos werden durch immer kleinere Geräte aufgenommen und wie selbstverständlich mit der auf Smartphones vorhandener Software verarbeitet. Angeklickte Instagram-Filter geben einen billigen, aber schnellen Aha-Effekt.
Dazu kommt die Hinwendung des Marktes zu neuen Foto- und Video-Varianten. 4k, Drohne, 360°, 3D und Timelapse sind nur ein paar Stichworte. Oder der Wunsch nach Authentizität durch analoge Filme. Da wird Lightroom einfach abgehängt. Endstation. „Sie haben ihr Ziel erreicht“, würde mein Navi dazu sagen.
Einfachste Portfolioanalyse – Marktentwicklung und Marktanteil
Ein Betriebswirtschaftler braucht nur ein einzelnes Schaubild, um Adobes aktuelle Lage zu analysieren. Vier Handlungsfelder signalisieren die wirtschaftliche Abhängigkeit von Marktwachstum und Marktanteil.
Dogs — questionmarks — Stars — cash cows
Und wo ist Adobe lightroom? Ganz einfach:
Kann man auch mal bei Wikipedia unter BCG-Matrix nachlesen. Dort steht es und obwohl ich es oben schon erwähnt habe, schreibe es gern noch einmal.Weil es einfach so ist:
Die Cashcows haben einen hohen relativen Marktanteil in einem nur geringfügig wachsenden oder statischen Markt. Sie produzieren stabile, hohe Cash-Flows und können ohne weitere Investitionen „gemolken“ werden. Eine Festpreisstrategie oder Preiswettbewerbsstrategie ist angebracht.
Zukünftige Preispolitik – meine Vermutung
BWL – zweiter Teil. Hier geht es um „Preiselastizität der Nachfrage“, ihre Ursachen und weiteres optimiertes Vorgehen.
Mir fehlt in der Diskussion die Frage, wohin sich die Abo-Preise in den nächsten Jahren entwickeln könnten. Jeder rechnet nur einfach das aktuelle Preismodell durch und viele wollen einfach nicht verstehen, was dahinter steht. Lasst uns das – wieder einmal – rein betriebswirtschaflich betrachten:
Preiselastizität der Nachfrage bei Neueinsteigern
Steigt der Abo-Preis für CC, wird es weniger Neueinsteiger geben. Dabei werden die professionellen Nutzer über ein paar Euro mehr oder weniger nicht klagen, aber die Hobby- und Gelegenheits-Lightroomer sind da zum Teil sensibler.
Bestandskunden und Preissensibilität
Da sieht es auch etwas differenzierter aus. Die neueren ein- bis zweijährigen Abo-Kunden werden sich relativ preissensibel verhalten. Sie haben ja immer noch die Möglichkeit, nach recht kurzer Zeit auszusteigen und zu wechseln. Ganz anders bei den langjährigen Mitgliedern. Sie haben bereits viel Zeit investiert und eigenes Datenmaterial gesammelt. Da werden sich die meisten nicht von Preiserhöhungen abschrecken lassen:
Gewinnmaximierung in zwei Schritten
Ist doch nicht zu kompiziert, oder? Ich freue mich, als selbstständiger Kaufmann meine Entscheidungen unabhängig von rein finaniellen Erwägungen treffen zu dürfen. Aber als Konzernchef würde ich das eben gesehene wie folgt abarbeiten wollen und sogar müssen:
- Wachstum mit Neukunden: Solange ich mit Neukunden wachse, lasse ich den Preis annähernd konstant. Ich muss ja auch beachten, dass bei zu früh steigenden Preisen noch so mancher „Neue“, der das noch kann, abspringt.
- Später, wenn aus dem Hobby- und Freizeitbereich kaum noch neue Abo-Kunden zu generieren sind, die „Pros“ sowieso kommen und die langjährigen Kunden auch durch hohe Preise nicht mehr abspringen werden, geht´s in die zweite Stufe: Preis nach oben, hohe Gewinne generieren. Cash-Cow-feeling. Melken.
So einfach geht die Marktwirtschaft!
Aber natürlich würde ich das als Konzernchef den Kunden NIE so erzählen dürfen. Eine Preiserhöhung für das Abo wird IMMER mit neuen Leistungen komuniziert. Klar doch!
Diese Gedanken sind natürlich rein hypthetisch, aber… was spricht dagegen. Die geschilderten Analysen sind typisches Anfänger-BWL und ich bin sicher, dass bereits jeder Praktikant bei Adobe das kennt. So er im betriebswirtschaftlichen Teil arbeitet.
Und die Perspektive für mich – Hände weg vom Abo
Ein Pro, der nur in Projekten bis zu deren zeitnahem Abschluss denkt, kann ein Abo locker einrechnen. Für einen wie mich, der langfristig mit seinen persönlichen und privaten Fotos arbeiten möchte und naiv hofft, noch nach 10-20 Jahren mal wieder an sein altes Archiv zu gehen, kann sich eine solch langfristige Reise mit Adobe im Abo-Stil nicht vorstellen.
Schön, dass meine Lightroom-6-Version noch einwandfrei auf meinem PC läuft. So bleibt Zeit, sich nach Neuem umzuschauen und die Entwicklung abzuwarten.
Eine Chance für neue Erfahrungen
Abwarten heisst für mich aber auch, andere Programme zu testen. Immer die Adobe-Standard-Schema-F-Vorgehensweise wird auch langsam langweilig. Am erfolgversprechensten erscheint mir derzeit Capture One. Es ist neben der Adobe-Ankündigung auch eher die Neugier, die mich dorthin treibt. Capture One macht ja so einiges bei der Entwicklung anders und ich könnte mir vorstellen, dieses für mich als einen positiven Impuls bei der Bearbeitung zu sehen. Hobby heisst ja auch, gern etwas neues auszuprobieren. Fand den Blog-Beitrag von Paddy dazu ganz reizvoll.
Vielleicht wird Adobe aber solche Softwareanbieter später aufkaufen und stilllegen, weil sie gegen ihr eigenes Geschäftsmodell des Abos als zu unangenehm empfunden werden. Dann landen wir alle in der Abo-Cloud. Aber so düster sollte man die Zukunft noch nicht sehen.
„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen – man weiss nie, was man kriegt“
(aus „Forrest Gump“)
Update zum Artikel (wird weiter ergänzt…)
- Lightroom-Kataloge und -Sammlungen lassen sich anscheinend in einige andere Programme IMPORTIEREN! Ich sah mir z.B. bei Capture One ein Video zu einem entsprechenden Feature des Programmes an. Vielleicht schaft C1 nicht alles hinüber, aber fast…
- Wenn ein Import in andere Programme möglich erscheint, kann man ja noch möglichst lange mit LR6 arbeiten. Dann bleibt die neue Arbeit ja für das neue System erhalten. Notfalls bei neuer Kamera noch eine Weile mit DNG-Konverter davor. Bis die Lage sich beruhigt bzw. etwas weiter entwickelt hat.
- Misstrauisch bleib ich natürlich bei ALLEN Programmanbietern, die neben der Kaufversion auch eine Mietversion anbietet – so wie Capture One. Ob das immer so bleibt?
- Guter und pragmatischer Beitrag zum Thema bei nachbelichtet
- Lightroom 6.13 unterstützt die X-E3! Hatte bei Foto-Koch in Düsseldorf die Kamera in der Hand und dann gleich ein paar 50MB(!)-RAWs geschossen. Leider konnten sie mir kein X-E3+XF23mmF2-Bundle anbieten – wie in ganz Deutschland. Warum eigentlich? Hat da Fuji-Europe oder Fuji-D irgendetwas verschwiegen?
- ON1 Raw scheint für mich sehr interessant. Vielleicht eine gute Alternative. Anschauen!
7 Gedanken zu “bye bye lightroom”
Das war ein Grund, die CC nicht zu nutzen. Man baut damit auf und wenn man nicht mehr mag (zahlt), kann man die eigenen Kataloge nicht mehr benutzen. Mit so einer Voraussetzung will ich nicht arbeiten. Seh aber keinen Gund von LR 6 auf etwas anderes zu wechseln. Ausser, neue Kameramodelle werden in Zukunft damit nicht mehr laufen. Doch so schnell kauf ich keine neue Kamera 🙂
Hallo Markus,
LR6 könnte noch lange reichen. Wenn ich jetzt aber neuen Inhalt und Entwicklungseinstellungen schaffe, wäre es vielleicht besser, dieses gleich in einem wieder längerfristig verlässlich nutzbarem Format oder Programm zu speichern. Nur in welchem? Und wieviel Zeit sollte man sich lassen, bis der Markt sich wieder beruhigt hat und sich einzelne Alternativ-Programme herauskristallisieren?
Je mehr ich mich mit C1 beschäftige, desto mehr überzeugt mich das Bearbeitungskonzept der (Hauttöne-)Farbbearbeitung. Farbanpassungen sind mE. gerade bei den etwas sehr prallen Fuji-Farben etwas sehr wesentliches. Deshalb favorisier ich es zurzeit.
Aber CC ist für mich auch gestorben. R.I.P.
Lt. Beschreibung kann der Katalog nach Ablauf des Abos sehr wohl genutzt und Bilder exportiert werden. Allerdings nicht bearbeitbar.
Nur so eine Idee: Vielleicht sollte man irgendwann ein Jahresabo (incl. Kündigung) ausgeben, um seine alten Kataloge für die eigene Ewigkeit zu sichern. Indefinitly.
Hallo Jürgen!
Danke für Deine Einschätzung. Für meinen Teil sehe ich es so: Ich nutze LR zu wenig und Photoshop gar nicht, als dass sich ein Abo für mich rechnet. Solange LR6 mit zukünftigen Betriebssystemen zusammen arbeitet und ich keine neue Kamera kaufe, für welche ich Unterstützung bräuchte, wird es so bleiben.
Meine Alternative ist die Kombination aus Iridient Developer und Affinity Photo. Der einzige Nachteil dieser Lösung ist, dass es kein „All-in-One-Tool“ ist.
Hallo Klaus,
so wie Du es tust, müssen wir alle jetzt unsere persönlichen Bedürfnisse herausfinden und danach auf die Suche gehen. Bei mir kristallisiert sich langsam heraus:
– Katalogfunktion wichtig, um langfristig darin Sammlungen (Ereignisse/Leben) wieder zu finden
– möglichst bester RAW-Konverter (wer mit Fuji-Raws die Adobe-Standard-Einstellung nimmt, weiss wie gräßlich das Ergebnis ist)
– geringe, authentische Nachbearbeitung (so wie Du: kein Photoshop)
– guter Export-Workflow (bin deshalb eher auf der All-in-One-Lösungssuche)
Mal sehen. Iridient/Affinitiy schaue ich mir aber auch mal genauer an!