Einen kompletten Vergleich mit Adobe oder anderen Anbietern traue ich mir nicht zu. Wäre eher eine Abschlussarbeit von Studierenden der Fotowissenschaft. „In Demut“ möchte ich daher nur von Erfahrungen sprechen.
Auszug aus dem Adobe-Universum
Adobe Lightroom ist sicher die Nummer 1 auf dem Markt zur professionellen Bildbearbeitung. Trotzdem gab es für mich nach gefühlt unendlich vielen Jahren der Treue den Wunsch nach Änderung.
Als Adobe das Abo-Modell zur alternativlosen Variante machte, wurde es mir bereits zu bunt. Für Fimen sind Branchensoftwarelösungen mit 10 Euro monatlich „peanuts“ und 20 bis 50 Euro noch ein Schnapper. Bin ich als Hobbyfotograf aber im gleichen „wird-mal-teurer“-Modell, dann kann das unangenehm werden. Und bei 10 Euro/Monat wird es nicht bleiben.
Es gibt aber noch ein zweites Problem: Portraits, Hauttöne. Hat man Lust auf Fotos von Menschen, dann sollte man die beste Software dafür nicht aus den Augen lassen: Capture One.
Und das dritte „Problem“? Adobe teilte mal seine Fotowelt in die beiden Produkte Lightroom und Photoshop auf. Für reine Fotoexporteure ergibt dieses Trennung keinen Sinn. Ein Teil von Photoshop fehlt in Lightroom. Gleichzeitig ist Photoshop als Programm viel zu mächtig und überdosiert. Wozu Photoshop – wer will als Fotograf denn schon nachträglich den Himmel austauschen?
Alle Photoshop-Besitzer sollten sich da über Programme wie Luminar nicht so aufregen.



Mächtiges und umfangreiches Werkzeug

Die Werkzeugleiste von C1 wirkt gigantisch. Oben im Bild habe ich nur mal zur Übersicht die Unterpunkte zu den drei Bereichen Farbe, Belichtung und Details (orange markiert) abgebildet. Jeder der Balken ist ein eigenes Werkzeug.
Wenn man diese Balken das erste Mal sieht, wirkt es fast nach „zu viel“ des Guten. Schnell lernt man aber, dass es einige Übereinstimmungen gibt. Und man muss nicht alles nutzen. Im Vergleich zu der Kombi von Lightroom plus Photoshop ist es sogar sehr aufgeräumt. Man muss ja sehen, dass es durch die Ebenenbearbeitung neben den Lightroom- auch Photoshopkomponenten integriert hat.
C1 hat sogar die Möglichkeit, einen eigenen Tab zu gestalten und alle selbst genutzten Werkzeuge in der persönlich gewünschten Reihenfolge anzuordnen. Besser geht es nicht.
Mir gefallen die Bearbeitungstools sehr gut. Vor allem gehen sie in feinen Schritten vor und man hat ein gutes Gefühl von vollständiger und sehr behaglichen Kontrolle über das Ergebnis. Das unterscheidet dieses Programm zum Beispiel von Luminar 4.

Einarbeiten und erlernen
Der Anfang ist – wie bei so vielem das größte Problem. In Lightroom hat man sich im Laufe der eigenen Entwicklung immer weiter hineingelebt und ist darin aufgewachsen. Nun bei dem Versuch eines „Neuanfanges“ hat man bereits so viele Bearbeitungsideen im Kopf und sucht dann nach entsprechenden Slidern.

Mir hat es sehr geholfen, erst mal vieles auszuprobieren. Und dann…
Ja, und dann eine ganze Menge Videos von C1 angeschaut. Vielleicht auch für Euch ein Tipp, wenn Ihr nicht wisst, wo Ihr anfangen sollt. Einfach mal hinsetzen und zuschauen, wie andere dieses Programm nutzen. Denn eines darf man nicht vergessen: der Workflow von Adobe ist in vielem nicht universal, sondern nur Adobes Lösungsvariante. Man kann versuchen, seinen Arbeitsstil als LR beizubehalten und sich C1 entsprechend anzupassen. Aber das bringt nichts. Aus Erfahrung ist es meist besser, sich auf die Ideen, die ein neues Programm mit sich bringt, neu einzulassen.

Masken und Ebenen
Diese Überschrift würde ich gern doppelt unterstreichen. Ebenen – ein Wort, dass Adobe ja nur bei Photoshop kennt, ist bei C1 ein ganz normales implementiertes und wichtiges Tool. Kein Rumgekasprere mit Photoshop nötig. Teil des normalen Workflows von C1. Und so sinnvoll.

Ein Beispiel – zur Veranschaulichung: Ihr kennt das „brush“-Tool in LR zum Anpassen von Bereichen des Fotos, in denen besondere Lichtverhältnisse herrschten. Einfach damit maskieren und vorher-/hinterher gewünschte Anpassungen durchführen. Als Ansatzpunkt für spätere Änderungen bleiben ein paar kleine graue Punkte irgendwo auf dem Bild übrig.
In C1 geht das viel komfortabler: man erstellt eine neue Bearbeitungsebene, bereits komplett maskiert. Dann schaut man auf den zu bearbeitetenden Bereich und stellt so lange an den Reglern, bis dieser Bereich gut aussieht. Dann löscht man die Maske der Ebene wieder und arbeitet mit dem „brush“-Tool ganz filigran die neu gestaltete Ebene in den Bereichen ein, wo man sie gern sehen möchte. Gar kein Vergleich mit dem Lightroom-Brush-Tool.
Und alles geht vor und zurück. Ebenen kann und sollte man entsprechend beschriften und findet so alle einzelnen Schritte sofort wieder. Volle Übersicht. Und bei Bedarf kann man mit Hilfe der Dichte jeder Ebene die Effekt immer wieder optimieren. Das gilt übrigens genauso für Presets. Einfach auf eine neue gefüllte Ebene legen und mit dem Slider die gewünschte Effektstärke von 100% herunterregeln. Easy.

Farbe – Capture One hat einfach die Nase vorn
Dieses ist ein Bereich, der mich besonders interessiert. Bei der Fotografie von Personen gibt es immer wieder mal Anpassungsbedarf. Mein Lieblingsproblem sind Fotos von zwei oder mehr Menschen mit ganz unterschiedlichen Hauttypen. „In echt“ sieht man kaum einen Unterschied, aber auf Fotos können zwei Gesichter so unterschiedlich wirken, dass diese Differenz das ganze Bild bestimmt.
In C1 kann man leicht einzelne Farben bearbeiten, oder noch besser aus ausgewählten Farbbereichen maskierte Ebenen generieren. Hört sich zu kompliziert an? Wenn man das ein paar Mal gemacht hat, kann man sich eine andere Bearbeitung kaum noch vorstellen.
Genau kann und will ich das hier nicht beschreiben, aber den Punkt solltet Ihr euch mal genauer anschauen, falls Ihr das noch nicht kennt.


Kataloge oder Sammlungen
Ja, da wird es zum Schluss doch noch etwas „schwieriger“. Da C1 die zwei Varianten anbietet, muss man sich entscheiden – entweder grundsätzlich oder je nach Projekt immer wieder neu.
Meine Vorstellung ist, pro Jahr mit je einem Katalog zu arbeiten. So geht die Sammlung nicht in unendliche Größen und das Öffnen/Schliessen/Wechseln von Katalogen wird zum schnellen, gewohnten Vorgang. Mein „alter“ Lightroom-Katalog, der sich über mehrere Jahre erstreckt, wird derzeit richtig langsam.
Mal sehen, ob ich mit C1-Jahreskatalog glücklicher werde. In ein paar Jahren werden wir schlauer sein.



Openstage Kulturbüro und Jugendfreizeitstätte Vlotho
Was ist eine Fotoblog-Seite ohne Bilder…
Illustriert wird dieser Beitrag durch eine Fotoserie eines Openstage in der Kulturfabrik Vlotho. Tolle Musiker*innen und andere Talente bekamen 20 Minuten, um sich vorzustellen – ein langer, aber sehr kurzweiliger Abend.
Natürlich bearbeitet und exportiert mit C1. Dank der vielen bunten Lichtstrahler wechselte ich im Export auf b&w. Farbvarianten hätten leider auch keine bessere und präzisere Aussage über C1.



2 Gedanken zu “Capture One – ein paar Eindrücke”
Moin, Jürgen.
Lightroom lehne ich ja schon wegen des unsäglichen Abo-Modells ab. Ich mag solche Abhängigkeiten einfach nicht. Mich würde noch die Einodnung von Photo Shop Elements. Gerade auch in Bezug auf Slide-Shows und die Möglichkeit ein Fotobuch zu erstellen. So lange ich mich noch nicht zu einer digitalen durchringen kann, spielt Bildbearbeitung kaum eine Rolle. Und wenn, möchte ich ein Bild in max. 20 Sekunden bearbeitet haben.
Die Bilder sind toll und sie sind dicht dran.
Lieber Gruß
Kai
Hallo Kai,
vielleicht können wir uns auf max. 30 sec. Bearbeitung einigen. Freistellen, Belichtungskorrektur, Rauschunterdrückung… . Länger nur, wenn das Motiv zu wichtig ist und das „avaliable light“ zu grottig. Ein Trauzimmer in Hessen ist gerade zu meinem Negativ-Favoriten geworden: Grünliche Energiesparlampen strahlen hart abgegrenzt und megastark auf Tisch und Teile der Besucher, blaues fades Wintertageslicht von aussen iluminiert den Raum. Und die Fenster so klein und tief angeordnet, dass das Licht nur auf die Oberkörper fällt und die Köpfe im Dunkeln bleiben. Wie gut, dass man nach C1-Korrektur davon (fast) nichts mehr sieht. Dauert dann aber doch jeweils ein wenig länger.
Angenehme Adventszeit
Jürgen