Tapetenwechsel, mal sehen, wie es sich in anderen Regionen leben lässt. Selber erfahren, statt sich über social media ungeprüfte Drittmeinungen aneignen zu lassen. Gerade Griechenland steht bei uns immer wieder in den Schlagzeilen und viele Menschen behaupten, sich dort bestens auszukennen. Ich bin nicht sicher, ob manche selbsternannten „Experten“ darunter nicht einmal die Qualifikation besitzen, es auf einer Europakarte zu finden.
Thessaloniki (oder auch Saloniki oder alt: Thessalonich) ist die zweitgrößte Stadt Griechenlands. In der Region leben über 1 Mio. Einwohner, auch wenn die Stadt selbst „nur“ mit 370 000 ausgewiesen wird.
Ein Wahrzeichen – eine Promenade
Touristisch liegt die Stadt mitten im April eher etwas abseits des Stromes. Das mag zu anderen Jahreszeiten anders sein. Eine McDonaldsdichte von „0“ im Stadtkern ist aber schon ein guter Index für das Touristische Fremdpotential . Das tut richtig gut, denn so gewinnt man das Gefühl, ein Stück „normales“ Leben mitzubekommen.
Der Weisse Turm ist wohl einer der Hotspots der Stadt. Trotzdem herrscht kein Gedränge und lässt uns den Blick über die Stadt geniessen. Im Vergleich zu Barcelona oder Lissabon haben wir den Eindruck, dass der Tourismus hier noch mehr als wirtschaftliche Chance denn als Belastung lokaler Identität gesehen wird.
Rundgang mit versteckter Geschichte
Wie schafft es eine so große und historisch gegründete Stadt, nicht ein Hotspot des europäischen Tourismus zu stehen? Ich denke, dass das viele Gründe hat. Insgesamt liegt das sicher daran, dass man für Werbung besondere, herausragende Objekte braucht. In Thessaloniki wurden über die Jahrhunderte die neuen Gebäude auf dem Schutt der alten errichtet – wie auch in vielen anderen Orten. Dadurch „fielen“ die alten Kirchen um einige Meter in die Tiefe ab. Man geht einige Treppenstufen herab, um sich der historischen Bausubstanz zu nähern.
Vielleicht fehlen hohe Bauwerke neueren Datums mit Fernwirkung und Anziehungskraft. Der Weisse Turm am Wasser ist zwar beeindruckend, kann aber mit einem Eiffelturm, einer Sagrada Familia oder einer Towerbridge nicht mithalten – auch wenn die Towerbridge auch eher zu den alten Gebäuden gehört. Aber Wehrtürme gibt´s ja öfter.
Zwischen den Häusern wirken die Zeugen einer alten Zeit sehr bedrängt und vergleichsweise klein.
Die Geschichte Thessalonikis ist voll von Zerstörungen. Erdbeben und Brände veränderten das Aussehen des Ortes.
Der Abstand zwischen sehenswerten Gebäuden und der 7-8-stöckigen Wohnbebauung ist sehr gering. Freistehend würde manches viel besser zur Geltung kommen. Sehr eigenständig wirken auch die vielen Hochhäuser, die offensichtlich ohne architektonische Wettbewerbe als reine Zweckbauten errichtet wurden.
Wer sich für Kirchen und ihr Inneres interessiert, wird manchmal durch die extreme Ausschmückung überfordert. Während in anderen Regionen ein bis zwei Kunstwerke einen besonderen Platz im Mittelschiff oder einem Seitenteil erhalten, wirken orthodoxe Kirchen schnell etwas überladen und unruhig.
Es gibt viele, sehenswerte Kirchen zu besichtigen. Ich erspare mir hier allerdings, ein Übermaß an Bildern davon zu präsentieren.
Das ist hier auch kein umfangreicher Bild-Stadtführer durch alle Sehenswürdigkeiten. Nur ein Querschnitt eines eigenen Rundgangs. Wir haben uns an einer Route von Outdooractive orientiert.
Handel und Wandel
Die wirtschaftliche Situation Griechenlands wird durch die Presse immer wieder kommentiert. Es ist sicher nicht leicht, hier zu leben und Arbeit zu finden. Entlang der Einfallstraßen und auch im Zentrum stehen so manche Läden leer.
Doch wäre es aus meiner Sicht vermessen, den „normalen“ Menschen in dieser Stadt eine Mitschuld zu geben. Wir treffen viele engagierte, lang und hart arbeitende Leute. Höflich, aufgeschlossen, gastfreundschaftlich. Ich bin nicht sicher, ob dieses in unseren Medien zuhause ausreichend gewürdigt wird.
Noch ein paar Worte zur Infrastruktur. In ein paar Jahren soll die erste U-Bahnlinie eröffnet werden. In einer Stadt mit so vielen historischen Stätten unter der Erde ist das eine besondere Herausforderung. Der gesamte Verkehr wird also derzeit noch per Bus oder Pkw abgewickelt. Und Parkplätze sind absolute Mangelware. Ohne zwingenden Grund sollte man sich in dieses Getümmel nicht noch mit einem Leihwagen stürzen. Es gibt genügend Busse und das meiste befindet sich auch im Laufabstand.
Und Thessaloniki gewinnt nach 37 Jahren!
Am Abend der Ankunft bekommen wir einen freundlichen Hinweis. Wenn die örtliche Fußballmannschaft PAOK Thessaloniki nach 39 Jahren endlich das erste Mal wieder den Titel in der Nationalliga gewinnt …dann können wir für nichts garantieren.
Und sie gewinnt! Es soll ja dann doch nicht so schlimm geworden sein. Das spätabendliche Spektakel vom nahem Stadion schauen wir uns aber dann doch lieber von der Dachterasse an.
Alte Lagerhallen für Kultur …und MOMus!
Direkt im Anschluss zur Uferpromenade erstreckt sich ein altes Areal mit Lagerhallen – und einem Museum für Fotografie (thmphoto). Aktuell ist eine Ausstellung junger Künstler zu sehen.
Interessant finde ich den Trend zu arrangierten Bildern. Das Fotografieren und Drucken nur als Endprozess eines künstlerischen Gestaltungsprozesses zu sehen. Hier im Museum sind einige solcher Werke und Serien zu sehen.
Abendlicht über der Stadt
Ein Weg hoch zu den Resten der Stadtmauer lohnt sich – auch ohne einen Sonnenuntergang. Hier hat man einen schönen Blick über das pulsierende Leben.
Ein schöner Abschluss für einen Tag in Thessaloniki!
Zur Ausrüstung
Ein paar Bilder einer Stadt. Und? Ein Drittel der Aufnahmen, die es in diese Auswahl schaffte, wurde mit dem XF90mm aufgenommen – 135mm auf Kleinbild umgerechnet. Ich wundere mich selbst, wie telelastig ich geworden bin.
Vielleicht lag es auch daran, dass ich das XF18mm nicht dabei hatte, sondern das lichtstärkere XF16mm mitkam. Wahrscheinlich wäre es sonst das meistbenutzte gewesen, da es sich zusammen mit dem Body deutlich ausbalancierter anfühlt und als Standard drauf gewesen wäre. Aber wer weiss…
Hier noch mal alle Bilder für eine größere Ansicht:
3 Gedanken zu “Ein Tag in Thessaloniki”
Lieber Jürgen,
toller und informativer Bericht über deinen Aufenthalt in der Stadt (und auch in Sarti) mit super-atmosphärischen Bildern.
Eine meisterhafte Reportage!
Claus
Ich schließe mich meinem Vorredner an. Das letzte mal in Thessaloniki war wohl vor 25 Jahren oder so, als kleiner Junge. Deine Fotos schaffen fernweh. Vielen Dank für den tollen Beitrag.
Marcel
Hallo Marcel,
vielen Dank für Deine Einschätzung. Das Fotografieren hat mir auch richtig Spaß gemacht. Es gab so viel zu sehen!
Du schreibst: „…wohl vor 25 Jahren oder so…“ – dann bist du damals bereits „richtig“ gereist! Ich denke, dass wir – so wir alles richtig machen – auf unseren Reisen zwar nicht alles bis ins Detail erfassen und erinnern können. Das kann noch nicht einmal jemand, der am Urlaubsort dauerhaft lebt. Doch wir können „Anker“ setzten. Dann werden wir alle weiteren Infos, die wir anschliessend lesen, sehen oder erleben, rundherum gespreichern. So wie bei Dir. Siehst Fotos von Thessaloniki und kannst etwas damit verbinden.
Meine Ausbeute hierzu in den letzten Tagen:
– Paok wird Pokalsieger https://www.spiegel.de/sport/fussball/griechenland-paok-thessaloniki-gewinnt-pokalfinale-vor-1040-zuschauern-a-1266983.html
– Zeit Europe-Talks: Unsere Eliten haben das Land ausgesaugt https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-05/europa-sofia-platamonas-diskussion-europe-talks
So vergrößert sich unser Wissen und entwickeln sich unsere Ansichten weiter!
Viel Spaß bei weiteren Erlebnissen!
Jürgen