Prolog
Besucherführung durch den Himmel: „…und hier bitte leise sein. Hinter der Mauer wohnen die Katholiken. Die denken, sie seien hier allein.“
Vielleicht ist das nur der erste Teil eines uralten und schlechten Witzes. Mögliche Fortsetzung: Die Gruppe kommt an einem fensterlosen Bunker voller Athos-Mönche vorbei. „Wir haben lange versucht, sie an die Gemeinschaft mit den vielen himmlischen Frauen zu gewöhnen – konnten sie aber nicht resozialisieren.“
Was sich wie ein schlechter Witz anhört, ist zumindest hier auf der Erde nah an der Realität. Auf der östlichen Halbinsel von Chalkidiki gelten für die Mönchsrepublik Athos auf einer Fläche von 335 Quadratkilometer andere Regeln als in Resteuropa. Frauen ist der Zutritt strengstens untersagt. Ein Versuch der Rechtfertigung:
„Die Athoniten verwehren den Frauen den Zutritt zum Heiligen Berg, weil sie die Frauen wahrhaft lieben. Alle Frauen sind auf dem Athos abwesend, und doch wieder, durch die Gottesmutter, Maria, sind alle anwesend.“
aus: wikipedia
– Pater Mitrophan
Wow! „…weil sie sie wahrhaft lieben…“. Leute, warum braucht ihr so viel Abstand? Homo sapiens vermehren sich nicht durch Bestäubung!
Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass Gott bei den Mönchen für seine Schöpfung – zumindest was die Frauen betrifft – ziemlich viel Kritik einstecken muss. Von Menschen zweiter Klasse war in der Bibel noch nicht die Rede.
Eine Schifffahrt
Früh morgens verlassen wir unser Quartier Sartí und fahren der aufgehenden Sonne entgegen. Am Horizont zeichnet sich schon unser Ziel ab – der Berg Athos. Wir möchten gern eine Schifffahrt entlang der Küste erleben. Ein Ausgangspunkt für so eine Tour ist Ouranoupoli, eine kleine Hafenstadt für alle Pilger und auch viele Schaulustige – wie uns.
Pilger kommen zu Wasser
Für Pilger verkehrt von diesem Ort aus ein eigenes Schnellboot. Wer eine Urkunde mit Besuchserlaubnis der Mönchsrepublik und seinen Pass vorzeigt, darf an Bord und kann so die Klöster und Einsiedelein der Mönchsrepublik Athos erreichen. Für Pilger ist diese Bootspassage der einzige Weg in eine andere, alte Welt.
Ein Sightseeing ohne Visum
Wir haben eine solche Urkunde nicht zur Hand und verlassen den Hafen von Ouranoupoli an Bord eines Ausflugsschiffes, das uns an ein paar Klöstern entlang fahren wird.
Frieden predigen und Trennung praktizieren – so ist das halt bei „Kirchens“. Seit 1000 Jahren sind die orthodoxe und die katholische Kirche schon offiziell gespalten. Auch wenn es schon vorher manchmal gekracht hat. „Wir haben Recht und mit euch sprechen wir nicht“ ist für mich ein Spiegelbild eines fragwürdigen Charakters der Protagonisten und ein Zeichen hinfälliger Kultur, nicht Ausdruck ausreichender Bildung. Man stelle sich vor: vor 1000 Jahren war Amerika noch unbekannt und die Erde eine Scheibe. Aber hier bleibt alles beim Alten.
Christen nicht-orthodoxen Glaubens haben nach diesem bereits 1000 Jahre andauernden Zwistes zwar auch eine Möglichkeit, ein Visa zum Betreten der Halbinsel zu beantragen. Das Kontingent für diese „Heiden“ ist aber sehr klein und erfordert ein frühes Handeln.
Es sei denn, Antragstellende ist eine Frau. Dann wird das eh nix. Siehe oben. Maria hilf!
Eindrucksvolle Klosteranlagen aus der Ferne
So tuckern wir nun in einem Mindestabstand von 500m regelkonform an vielen großen Gebäudekomplexen vorbei. Wir hätte noch ein Stück näher heran fahren können. Leider hätten wir dazu erst alle Frauen von Bord werfen müssen. So sind die Regeln der Mönche.
Was hat Athos mit der Notre Dame gemeinsam?
Und durch hilfreiche Lautsprecherdurchsagen an Bord lerne ich wieder ein Stück dazu. Kurz vor unserer Reise hatte ein verheerendes Feuer weite Teile der Kathedrale Notre-Dame in Paris zerstört. Ich hatte noch in Erinnerung, wie froh man war, rechtzeitig die Dornenkrone Jesu vor den Flammen retten zu können. Wie viele Kreuzigungen sind historisch belegt, frage ich mich. Auf jeden Fall wird der Teil einer weiteren Dornenkrone in einem dieser Klöster aufbewahrt. Wie glücklich ist das denn!
„Möge die Macht mit dir sein“ – Yoda, Jedi-Meister
Ganz aufschlussreich übrigens, was Männer so interessiert, wenn sie nicht durch Frauen in ihrem Alltag begleitet werden. Zum russischen Kloster Rossikon ist vor ein paar Jahren Präsident Putin „gepilgert“. Wohl schon öfter und anscheinend nicht zum Blumenpflücken, wenn man der ZEIT glaubt. Aber egal, wie man dazu stehen mag, versteht man vielleicht ein kleines Stück mehr von der Verzahnung von Kirche und Politik.
Die Klosteranlage wirkt von weitem jedenfalls nicht nach einem spartanischen und entbehrungsreichen Lebensstil.
Verrat und Randale am Berg
Die Mönchsrepublik verwaltet sich übrigens selbst. Die zwanzig „Groß-„Klöster bestimmen gemeinsam die Geschicke der Athos-Region. So ganz einfach scheint das auch nicht zu sein. Vor ein paar Jahren wollte man wegen eines massiven Streites dem Kloster Exfigmenou das Stimmrecht entziehen. Der Vorwurf: Verrat der Orthodoxie! Es kam zum Kampf um den Verwaltungskomplexes mit Verletzten. (Wikipedia)
Wie sah der massive Verrat aus? Man hatte anscheinend Gespräche mit dem Papst aufgenommen.
Es ist jedoch nicht überliefert, ob die anderen 19 Klöster schon Holz sammelten, um der Hölle mit ein wenig Brennstoff auszuhelfen. Aber wer weiß…
Immobilienwahn
Und mit einem letzten Blick auf den Berg Athos endet die westliche Küstentour. Das Boot nimmt Fahrt auf Richtung Heimathafen. Gern hätte ich noch einen Blick auf das Kloster Vatopedi an der Ostküste geworfen. Hatte was interessantes drüber gelesen.
2008 stand es im Mittelpunkt eines Immobilienskandals, wie es nur in einem Land ohne Grundstückskataster und gutem sozialem Netzwerk passieren kann. Vereinfacht zusammengefasst: Der Archimandrit des Klosters behauptete, seit 1000 Jahren Eigentümer eines (unbedeutenden) Sees zu sein und tauschte ihn in sehr enger Absprache mit der griechischen Regierung gegen hochwertig entwickelten Immobilienbesitz – zum Beispiel Filetstücke in der Innenstadt Athens und auf dem ehemaligen Olympiagelände. Man schätzt so den klosterlichen Besitz ausserhalb der Insel inzwischen auf min. 700 Mio Euro. (zum Beispiel zu lesen im Cicero).
Unsere Begleiter
Für mich scheint das das Jahr der Möve zu werden. Die hatten mich ja letztens schon auf Norderney interessiert.
Dieses Mal flogen sie über das Schiff hinweg und natürlich konnte ich nicht anders – musste wieder ein paar Fotos von ihnen machen.
Wanderung zur Grenze
Vom Schiff aus konnten wir uns die beiden alten Grenzhäuser schon anschauen. Sie liegen bereits auf dem Territorium der Mönche. Die große Mauer gehört noch zu einer Ausgrabungsstätte ausserhalb. Hier gibt man sich Mühe, eine alte Anlage zu rekonstruieren.
Wir dürfen draussen bleiben – auf der freien Seite! So empfinde ich es zumindest, als wir uns auf einer schönen Wanderstrecke dem Grenzzaun nähern. Auf der Bootstour hatten wir für den Tag schon genug Gemäuer gesehen. Aber es ist für verwöhnte Europäer schon sehr merkwürdig, wenn ihr Pass zum Betreten von autonomen Gebieten innerhalb der EU nicht ausreicht. Vor einem rostigen Grenzzaun zu stehen und nicht hinüber zu dürfen… so geht es viel zu vielen Menschen auf dieser Welt.
Fun fact
Ich vergaß noch das für mich lustigste: ALLE weibliche TIERE sind in der Mönchsrepublik auch verboten. Welche Erfahrungen der Mönche haben bloß zur Einführung dieser Regel geführt? Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Hätte gern noch ein Zitat von Pater Mitrophan dazu.
Die Gedanken sind frei!
4 Gedanken zu “Mönchsrepublik Athos – alles hat Grenzen”
Man, man, man …. Hätten die Mönche doch mal das Neue Testament gelesen. Und darin die FROHE BOTSCHAFT erkannt. Für Jesus spielten Frauen immer eine andere, aber eine ebenso wichtige Rolle im gesellschaftlichen und christlichen Miteinander. Er hat sich sogar für sie stark gemacht.
Aber vielleicht ist bei denen ja die Maria auch männlich und alle weiblichen Personen in der Bibel geschwärzt. Dann wäre allerdings ziemlich viel geschwärzt.
Stoff also für Mutmaßungen:
Aber, entweder ist die Insel vom Aussterben bedroht- wegen Bestäubung und so, oder es treffen sich ausschließlich homosexuelle, die sich nicht outen wollen oder können. Oder alles potentielle Vergewaltiger.
Allerdings gibt es ja auch bei uns Domänen, zu denen Frauen keinen Zutritt haben- nachdenkenswert.
Aber wer andere aussperrt, sperrt sich ein.
Schöner Artikel und: davon unabhängig: ich mag die Griechen:-)
„ich mag die Griechen“ – genau!
Und sie haben es einfach nicht verdient, dass sich in dem Land durch irgendwelche religiös kaschierten (Männer-) Phantasien die eine Hälfte der Bevölkerung unterdrücken lässt. Da ist das frühe Mittelalter noch in den Köpfen präsent.
Toleranz fordern und gleichzeitig nicht selbst leben – dieser Spagat und Selbstbetrug ist nur unter ideologischem oder religiösen Deckmäntelchen möglich. Ich schreibe bewusst „Mäntelchen“, denn der Aufwand – auch durch demagogische Rechtfertigungen – wird in einem aufgeklärten Zeitalter immer größer. Und ich habe die Hoffnung, dass dieses Kleidungstück irgendwann mal so klein ist, dass es den Irrsinn nicht mehr verbergen kann.
Jürgen
Ihr Beitrag:Athos.Alles hat Grenzen.
Warum muss man sich eigentlich über alles lustig machen.Ihre Kommentare über die Mönchsrepublik finde ich nicht richtig
Ich war damals entsetzt, wie mittelalterlich anmutende Männerbündnisse Frauen religiöse Teilhabe verwehren. Ich denke: die Freiheit des Einen endet an der Unfreiheit des Anderen. Beispielhaft ist das ja auch im deutschen Grundgesetzes die imaginäre Gewährleistungsschranke – nicht ohne Grund. Wenn Männer Frauen den Zutritt zu religiösen Orten, von denen auch immer eine Macht innerhalb der Struktur ausgeht, verweigern, so steht deren Recht auf freie Religionsausübung dieser Männer in krasser Disbalance zur Bewegungsfreiheit von Frauen. Der Versuch meiner persönlichen Aufarbeitung ist nicht so oberflächlich, wie er im Bericht wirkt.
Da jetzt orthodoxe Oberhäupter wieder Waffen für einen Angriffskrieg weihen und Soldaten einen Freibrief zur Ermordung zehntausender unschuldiger Menschen geben, würde ich diesen Artikel aktuell auch nicht mehr so schreiben.