Spät dran
Ich brauchte einen neuen Body für meine Fuji-Objektivsammlung. Jetzt, weil ich ihn jetzt brauchte und nicht, weil ein Hersteller mir den Wechsel durch den Start einer neuen Variante vorschlug. Und ich wollte bitte einen kleineren Rumpf als die immer größer und schwerer mutierenden X-T3 X-T4. Als kleine Variante für die Menschenfotografie und die Reise. Ich finde, wenn man mit Personen Fotos aufnimmt, entspannt sich die Beziehung zwischen Fotograf und Fotografiertem umso schneller, je kleiner die Kamera ist. Und beim Wandern und Radfahren hilft jedes Gramm weniger, um die Erdanziehung zu überlisten.
Natürlich habe ich mir von der X-S10 vorher viele Reviews angesehen. Sie kamen vor einem Jahr bei der Neuvorstellung der X-S10 ja massenweise heraus. Meist ging es um dieses typische, offensichtliche: …dass der Griff so klasse ist. …dass der Sensor, Stabi und Chip wie der aus der X-T4 sei. Das stimmt zwar alles, aber für mich war etwas anderes entscheidend. Und das möchte ich mit euch teilen.
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Bevor ich Euch erkläre, weshalb ich diesen Body mag, erst einmal über die Kröten, die man schlucken muss:
- nur eine SD-Karte – wenn man Kameras mit zwei gewohnt ist, wirkt das subjektiv unzuverlässig
- eine geringe Akkukapazität – vergleichbar mit einem Tesla, der nur mit einem Platz für zwei AA-Batterien konstruiert wäre
- nicht wetterfest
- typischer Flip-Display, den man aus meiner Sicht besser im Gehäuse lässt
Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, wenn der ausgeklappte Bildschirm nicht mehr hinter der Achse des Objektives liegt, sondern seitlich versetzt rumhängt. Das irritiert mich beim Fotografieren, scheint sich aber leider immer mehr durchzusetzen. Schade! Aber es gibt zwei wichtige Punkte, warum ich diese Kamera sicher öfter in die Hand nehmen werde, vielleicht sogar öfter als meine X-T2 Und damit meine ich nicht die verbesserten Spezifikationen, die ja jeder nachlesen kann, sondern das alternative gute Bedienkonzept.
Vorteil: keine Drehräder oder Schalter mit fester Einstellung!
Was diese Kamera von den meisten unterscheidet, ist das Fehlen einer festen und beschrifteten Einstellung von Zeit, ISO, Autofocus und ähnlichem. Das wirkt erst wie ein Nachteil, ist aber in Wirklichkeit ein super Vorteil.
C1 bis C4 extrem vordefinierbar
Es existieren ja viele Kameras mit Custom-Modi. Aber bei all diesen Kameras kann man natürlich nur die Dinge vordefinieren, die nicht über einen fest verbauten Schalter einstellbar sind. Steht zum Beispiel der haptisch tolle Autofocusmodus-Schalter einer X-T4 auf AF-C, dann steht er dort fest. Egal, welchen AF-sonstwas ich gerne mit einem Custummodus voreingestellt hätte. Und das ist bei dieser Kamera anders gelöst. Und aus meiner Sicht deutlich besser.
Habt Ihr nicht auch schon einmal morgens früh die Kamera für ein spontan auftauchendes Motiv aus der Tasche gezogen? Und seid am Abend vorher zu Nachtaufnahmen mit Stativ unterwegs gewesen? ISO umstellen, Verschlusszeit umstellen, Belichtungskompensation zurücksetzen, und.. und… und… Dann ist entweder das Motiv nicht mehr da, oder ihr habt beim Zurückstellen an der Arbeit gespart und etwas entscheidendes übersehen. Beides kann dann sehr unbefriedigend sein. Und das ist bei der X-S10 eben anders gelöst.
Man kann bei den Custom-Settings überraschend viel voreinstellen. So aus dem Gefühl heraus fehlt bei mir nur noch die Stellung des Blendenringes. Und das auch nur, weil ich gerne Objektive nutze, die einen Blendenring besitzen. Der Rest ist festlegbar.
Beispiel: Mein Lieblingsstil ist die Blendenvorwahl. Und dafür drehe ich nicht am Stellrad auf „A“ für Aperture, sondern habe mir auf C1 einen eigenen Standard zusammengestellt. So Definitionen wie „RAW“, Auto-ISOs, Filmsimulationen, Focusmodus, mittenbetonte Messung, Auslöseart etc. . Es ist wirklich enorm, wie detailreich das möglich ist. Und habe ausserdem noch bestätigt, dass diese Einstellungen erst einmal so abgespeichert bleiben sollen. Jedes Mal, wenn ich die Kamera anstelle und auf C1 drehe, finde ich meine Standardeinstellungen unverändert vor. Ich weiss, was meine Kamera dann kann und muss nichts mehr dran rumstellen. Also im Fall eines morgendlichen schnellen Fotos nach einem Abend mit Nachtaufnahmen – um bei dem Beispiel von oben zu bleiben – einfach auf C1 drehen und sicher fotografieren. Dann passt sofort alles. Oder ich weiss genau, was gerade nicht passend sein wird und kann es gezielt angleichen.
Ist das nicht klasse?
Und bevor man zum Beispiel bei abendlicher Eiseskälte nach draussen geht, um ein paar Nachtaufnahmen zu machen, programmiert man drinnen im Hellen und Warmen seine Kamera auf einer anderen C-Einstellung passend vor. Dann kann man draussen später immer noch etwas ändern, aber hat fast alle Grundfunktionen schon einmal bereit.
Bei mir sind aktuell auch nur C1 und C2 vorbelegt: C1 für meinen normalen Blendenvorwahl-Standard optimiert. Und C2 für so etwas wie „Street“, dann also mit kürzeren Auto-ISO-Verschlusszeiten und einer härteren BW-Emulation. Selbst die Auto-ISO-Abstufungen sind für jeden C-Modus differenzierbar! Will Euch mit den weiteren Details nicht langweilen, denn bei der X-S10 ist die Liste der Voreinstellungen lang.
Vorteil: die weiteren Vorinstellungen für Stellräder und das Q
Die leichteste Übung: ISO-Drehrad nach links oben! Das habt Ihr bestimmt schon geahnt. Ich brauche das Rad genau dort und bin glücklich, dass man es dafür einstellen kann. Das ist im Werkszustand mit den Filmemulationen vorbelegt, die ich nicht nutze. Eines bleibt aber noch für weitere Firmware-Updates zu hoffen: die erste kleine Drehung macht die ISO-Umstellung erst auf dem Display nur sichtbar, verändert aber noch nichts. Das erscheint mir noch verbesserungsbedürftig.
Von den Tasten habe ich bislang nur wenige neu definiert. Da fiel mir noch nicht viel entscheidendes auf. Aber das Q….
Die zweite wichtige Voreinstellung ist das Q-Menü. Hier eine Abbildung meiner aktuellen Belegung: Links abwärts einige Fragen des Verschlusses, daneben eine Spalte für Focus-Varianten. In der dritten Reihe folgen dann Filme und Farben. Ganz rechts ist dann noch Platz für den Gemischtwarenladen. Damit sind aus meiner Sicht die wichtigsten Dinge schnell erreichbar: einfach drauftippen und mit dem rechten Drehrad verändern. Finde das auch etwas praktischer als die vielen Einblendungen im Sucher oder auf dem Display. Dort kann ich sie zwar sehen und hat einen guten Überblick, muss aber erst weitere Schritte tun, bis ich sie verändern kann. Am Q-Menü geht es sofort..
C-Modi und Q-Menü – man muss sich einfach darauf einlassen
Diese beiden Punkte machen den Spaß mit dieser Kamera aus. Als ich sie das erste Mal in der Hand hatte, habe ich erst versucht, mit den P S A M-Varianten des rechten Wahlrades zu fotografieren. Da wäre ich aber fast dran gescheitert. Irgendwie waren im Hintergrund zu viele andere Punkte komisch eingestellt. Zumindest wirkte es sehr unpraktisch und verunsicherte mich. Erst mit den C-Varianten schaffte ich es, zum Body so eine Art „Beziehung“ aufzubauen. Und auf eine solche Art von Beziehung muss man sich auch erst einmal einlassen. Und sie wächst mit dem gegenseitigen Vertrauen.
Mein in die Jahre gekommener X-T2 Body ist wegen eines Problems mit dem Klappdisplays auf dem Reparaturweg von Fuji/Klewe zu Fuji/GB. Mal sehen, wie schnell der angesichts des Brexits wieder zurück sein wird. Übrigens erhielt ich einen Kostenvoranschlag mit einem entspannt fairen Preis. Mit normal kalkuliertem Handling und ein wenig Arbeitszeit kann Fuji an Reparaturen jedenfalls nichts verdienen. Wenn er wieder zurück ist, werde ich ihn allein schon wegen der alten guten Display-Klapp-Lösung wieder feiern. Mir wird aber schon jetzt fehlen, das Gerät durch ein Drehen auf C1, C2 oder sonstiges in allen Einstellungen zurückzusetzen.
Insgesamt gäbe es noch viele interessanten Details zur X-S10 zu schreiben. Die Leute haben noch viele einzelne Überlegungen und Erfahrungen mit einfliessen lassen. Die Liste wäre aber zu lang.
Und zum Abschluss für diejenigen unter euch, die im ersten Moment dachten, sie hätten nur Bahnhof verstanden, hier zum Schluss noch ein Foto von letzter Woche: Warten auf dem Bahnsteig in Vlotho – fotografiert mit der Fuji X-S10. Einfach auf „C2“ gestellt und ausgelöst! 😉
3 Gedanken zu “Fujifilm X-S10 – ein paar Anmerkungen”
Moin, Jürgen.
Zwar nicht mein Thema, aber total schön, mal wieder einen Beitrag von Dir zu entdecken. 🙂 Waren das noch Zeiten mit Zeit und Blende einstellen und fertig:-) In meinem zweijärhigen Ausflug in die Fujiwelt gab es mir da einfach viel zu viele Funktionen. Nichts für einen digitalen Analphabeten wie mich… Das mit der mangelnden Akkuleistung habe ich bei mir mit einer Powerbank und einem 110cm langem USB-C-Kabel gelöst. So läuft die Kamera im Betrieb über die Powerbank, die ich in dieser Zeit entweder am Stativ oder in der Jackentasche habe. Ungefähr die 10-fache Leistung.
Ich muss zur Zeit den kompletten Bestand einer Stiftung fotografieren, da wäre der Akku schnell leer. Vielleicht geht sowas ja auch mit Deinem Modell.
Liebe Grüße
Kai
Hallo Kai,
vergiss nicht Deine kreative Ader, wenn Du mit der Bestandsaufnahme fertig bist!
Diesen X-S10-Body habe ich jetzt wirklich gern in der Hand. Wenn man seinen Kram erst einmal als Basis abgespeichert hat, dann kann man den restlichen Schnickschnack einfach vergessen. Bei fast allen anderen Kameras (incl. den analogen!) muss man vor dem Fotografieren etwas überprüfen, denn man könnte ja beim Heraus- oder In-die-Hand-nehmen etwas verstellt haben. Bei diesem Modell mache ich das nicht mehr. Wird schon passen. Und ich stelle nur noch etwas motivspezifisch um, wenn erforderlich. Der Rest der Aufmerksamkeit kann dann auf dem Motiv selbst liegen. Ist echt beruhigend. So ein wenig von ritsch-ratsch-klick… . also zumindest fast… so in etwa…. oberflächlich formuliert…
Ein schönes Wochenende
Jürgen