„Ick koof euch keene Puppen. Ick find se scheißlich. Macht euch selber welche.“
MAX KRUSE
Diesen Spruch soll Max zu seiner Frau Kruse zum Thema Kinderpuppen geäussert haben. Gilt er auch heute noch, angesichts eines globalen Käthe-Kruse-Puppenimperiums?
Im Vlothoer Heimatmuseum fand im Oktober ein Wochenende mit einer großen Sonderausstellung uralter, excellenter Käthe-Kruse-Puppen statt. Vielleicht eine gute Gelegenheit, hierauf eine Antwort zu finden.
Lasst uns zusammen in das Thema einsteigen
Starten wir erst mit einem Psychotest. Schaut euch folgendes Bild an – das Bett voller Puppen. Was empfindet ihr dabei?
Ich habe von zwei ganz unterschiedlichen Reaktionen gehört:
Die eine Gruppe – meist ältere Mitbürger(innen) – sind ganz angetan. Sie sind sehr gut informiert, hatten vielleicht als Kind selbst eine solche Puppe und freuen sich über diese tolle Zusammenstellung. Sind richtig glücklich.
Die andere Gruppe – meist wesentlich jünger – gruselt sich. Voll Psycho.
Vielleicht hilft es hier, sich etwas mit der Geschichte der Puppen zu beschäftigen. Das kann die Sicht verändern und zum Verständnis der Ausstellung beitragen.
Die Kunst des Gesichtes
Lasst uns einfach mal auf die Puppen schauen! Sie sprechen für sich.
Ein paar Dinge finde ich sensationell für die damalige Zeit. Die Puppen wurden aus weichem Stoff produziert, etwas zum „anfassen“. Keine Porzellan-Köpfe oder steife Körper. Endlich Puppen, mit denen die Kinder etwas anfangen konnten. Anfassen, anschmiegen….
Jede Puppe der Serie erhielt einen eigenen individuellen Ausdruck. Wenn sich Kinder oder Erwachsene eine Puppe aussuchten, konnten sie sich ein passendes Gesicht mit differenzierten Emotionen wählen.
Die „neueren“ Modelle wirken – trotz dieser Individualität – meines Erachtens aber schon wieder ein ganzes Stück „Mainstream“.
Schaut mal auf der Firmen-Homepage. Würde sich Käthe Kruse beim Anblick noch im Grabe umdrehen? Wer weiß… . Besonders die Gruselings – sorry, die heißen ja eigentlich Kruselings. Vielleicht hat der am Anfang dieses Beitrags zitierte Spruch von Max viel größere Aktualität als uns allen lieb ist.
Kein Vergleich zu den alten, wertvollen Ausstellungsstücken. Das macht diese Sammlung so reizvoll. Voll schön!
Sehnsucht nach der „guten alten Stube“
Das beste Sonntagskleid angezogen, das Paradekissen auf dem Sofa. So präsentieren sich einige der größeren Exemplare. Dieser Raum des Heimatmuseums ist das ganze Jahr so zusammengestellt. Doch durch die Puppen gewinnt er plötzlich an Leben. Die Situation wirkt viel vollständiger.
Und schon wieder treffen zwei ganz unterschiedliche Sichtweisen aufeinander. Da gibt es die Generation, die sich an die „gute, alte Zeit“ erinnert.
Hmmm…. . Hat jemand von euch den Film „Das weisse Band“ gesehen? Der Film spielt im Jahr vor Beginn des ersten Weltkrieges. Die nachgestellte Szene in der guten Stube könnte auch diese Zeit wiedergeben und es erinnerte mich sehr daran. Gerade durch die Puppen.
„Der Film [das weisse Band] verdeutlicht das bedrückende, insbesondere für die Heranwachsenden traumatisierende soziale und zwischenmenschliche Klima der damaligen Zeit, das selbst im engen Familienkreis von Unterdrückung und Verachtung, Misshandlung und Missbrauch sowie Frustration und emotionaler Distanz geprägt ist. Er wirft einen kritischen Blick auf den sittenstrengen Protestantismus.“ (Textauszug aus Wikipedia)
Auf der Suche nach Alternativen
Das schöne an diesem Veranstaltungsort ist, dass es noch viele andere Dinge zu sehen gibt. So wie ein Shoppingcenter gern einen Baumarkt beherbergt, hat ein sehr liebevoll gestaltetes Heimatmuseum noch zahllose Wohlfühlbereiche für anders interessierte.
Zum Schluss ein Fingervergleich
Man unterstellt jungen Menschen, dass Smartphone-Nutzung die Daumen ihrer Hand stark entwickeln – und der Rest der Finger verkümmert.
Früher war das wohl anders herum: der Zeigefinger bekam beim Betätigen der Wählscheibe ein eigenes Muskeltraining. Den Daumen brauchte der Telefonierende höchstens zum Halten des schweren Hörers.
Ach ja. Nur der Vollständigkeit halber für die etwas Jüngeren: Das große klobige Ding auf dem Foto ist ein altes Telefon. Trotz der Größe war auch nur eine ganz einfache Telefon-App im Gehäuse untergebracht.Und die Schnüre daran sind keine Diebstahlsicherung, sondern so etwas ähnliches wie fest verbaute USB-Kabel ohne Stecker.
Akkulaufzeit? Kein Akku drin. Ein Kabel aus der Wand ersetzte das Netzteil und war gleichzeitig Datenverbindung. Voll praktisch!