Wow – was für eine Zeitreise!
Gebäude und Parks wie früher
Die Radtour entlang der Mecklenburg-Vorpommernschen Küste erlebte ich auf weiten Strecken wie eine Zeitreise. Abschliessend zur Reise noch ein paar persönliche Gedanken….
Damals. Als ich ein kleines Kind war, also vor ungefähr 50 Jahren, gingen wir als Familie manchmal im Kurpark der Nachbarstadt Bad Salzuflen spazieren. So richtig in der noch nachkriegsgeprägten 1960er Zeit. Man ging damals in seiner Sonntagskleidung spazieren, kam an der „Wandelhalle“ und dem „Gradierwerk“ entlang und fütterte Enten.
Auch an der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern wurde ich in so manchem „Kurbad“ an die alte Zeit erinnert. Allein durch die Architektur fühlte ich mich wie ein Zeitreisender in die Vergangenheit. Die Anordnung weißer Parkbänke, die Konzertmuscheln, die Blumenbeete und -Töpfe vervollständigten das Bild.
Wer sich mit dieser Epoche heute noch identifizieren kann, kann sich ganz besonders auf einen entspannten Urlaub in vertrauter Umgebung freuen.
Für mich persönlich erinnerte die Park- und Gebäudestruktur allerdings mehr an die Regeln und Grenzen, die wir als Kinder vor Jahrzehnten noch beachten mussten. Wer kann sich heute noch vorstellen, dass auf Rasenflächen ein Schild mit „Betreten verboten“ den Bewegungsdrang kleiner Kinder maßregelt?
In meinem Jahrgang war man noch zu jung, um damals mit den 68ern zu sympathisieren. Dennoch bin ich im Nachhinein dieser Generation sehr dankbar, dass sie gesellschaftliche Normen und Verhaltensweisen zumindest in Frage gestellt haben.
Jahreszeit und Corona-Effekt
Dieser persönliche Eindruck einer Gegend, in der sich besonders alte Menschen wohlfühlen können, hat sehr wahrscheinlich auch etwas mit der Reisezeit zu tun. Ich will da meine Beobachtung nicht als Pauschalurteil sehen. Es ist nur eine Momentaufnahme. Jüngere Familien mit schulpflichtigen Kindern konnten ja nicht mehr unter den Gästen sein – oder wie ein Campingplatzbesitzer so treffend formulierte: „Die Urlauber, die jetzt kommen, sind ganz anders als im Sommer. Da haben sie drei oder vier große Hunde im Wohnmobil – aber Kindergeschrei, das geht gar nicht!“. Da unterscheidet sich der September sehr vom Sommerferienbetrieb.
Aber wenn ich das mit den letzten Jahren im September in den Alpen vergleiche, dann fehlte mir schon das sportlich orientiere Mittelalter (link unten). So Menschen, denen der Horizont der Ostsee nicht ausreicht. Ehrlich gesagt: die kann man mit „Flanieren“ entlang der „Promenade“ auch nicht locken. Keine Chance.
Auf der Suche nach internationalem Flair
Wenn ich – allein oder mit Familie – in den Urlaub fahre, dann geniesse ich dieses Gefühl von weit-weg-sein. Hier musste ich lernen, dass das Mithören von Gesprächsfetzen in anderen Sprachen auch einen wichtigen Fernweh-Moment hat. Läuft man durch Biarritz oder Valencia, dann sind die französischen oder spanischen Dialoge ein Teil des Urlaubs, ein wenig Eintauchen in eine andere Kultur.
Und das habe ich hier vermisst. Ausser ein paar Holländer (ohne die ein Campingplatz sich nicht Campingplatz nennen darf) hat es sechs Tage gedauert, bevor ich das erste Mal ein Pärchen in Englisch muttersprachlich reden hörte.
Corona hin oder her – im internationalen Wettbewerb um den schönsten Strandurlaub hat es diese Gegend auch nicht leicht. Polen und Scandinavien haben eigene reizvolle Küstenbereiche an der Ostsee. Und ein wenig über den Tellerrand geschaut liegen auf europäischer Ebene der Atlantik und das Mittelmeer deutlich höher in der Urlaubergunst.
Und das steht für mich fest: die immer noch gewaltige Massenproduktion von reetgedeckten Ferienhäusern, die wie Pilze antlang der Ostsee aus dem Boden schiessen, wird daran so schnell auch nichts ändern. Das wird die Urlauberzielgruppe nicht erweitern. Diese Form der Kapitalanlage scheint sich aber immer noch gut zu verkaufen.
Sicherheitsbedürfnis
Im letzten Blockartikel schrieb ich ja darüber, dass der Ostseeradweg nicht durch ein wildes Patagonien führt. Aber manches Mal habe ich mich schon darüber gewundert, wenn offensichtliche Gefahrenstellen sowohl mit Zaun als auch mit einem großem Hinweis ausgeschildert wurden.
Gleichzeitig wunderte ich mich allerdings auch darüber, wie Dorf auf und ab elektrische Fahrräder an meist älteren Menschenvermietet wurden. Und anscheinend gehörte nicht mal ein Helm zur Pflichtausstattung. Angesichts des Gewichtes, der oft mangelnden Erfahrung, unbekannter Wegeführung und der Geschwindigkeit völlig verantwortungslos. Wenn man etwas verbieten möchte, um reale Gefahren zu verringern, dann sollte man doch bitteschön dort anfangen…
Insgesamt passt dieses aber auch zu einer Art Gesamtsystem, in dem wir irgendwann alt und behütet – so wir das nötige Kleingeld haben – meinen, in unserer kleinen Wahrnehmungslinse die ganze Welt zu sehen und so richtig etwas zu erleben.
Was habe ich an persönlicher Erkenntnis gewonnen?
Für die Planung eines längeren Aufenthaltes an der Ostsee im September kann ich nur eines empfehlen: nehmt neben saisonal passender Kleidung unbedingt genügend Bücher oder ähnliches als Ergänzung zum Strand mit! Alternative: ein ganz großes Interesse am Nationalpark, den Tieren und Pflanzen. Bleibt oder werdet Naturliebhaber, die sich nicht mit den innerörtlichen Wegen abspeisen lassen.
Sonst fahrt lieber gleich an das Mittelmeer, den Atlantik oder in die Berge. Ehrlich!
Rückschau:
Wandern in den Dolomiten…. so sah der Septemberurlaub 2019 aus.
Vielleicht erkennt ihr darauf, was ich dieses Jahr vermisst habe. Andere Welt.
Ein Gedanke zu “MVp – Kindheitserinnerungen wurden wach”
Moin, Jürgen.
Ich habe gerade von Lonely Planet ein Buchpaket an Neuerscheinungen bekommen, die ich gestern fotografiert habe und in den nächsten Tagen beschreibe. Die Bücher würden Dich mit Sicherheit fesseln. z.B. die schönsten Radtouren in Europa, die schönsten Wandertouren , die verrücktesten Reisen um den Globus….
Verrückt zugleich: einen Tag zuvor war ich im Fahrradladen und wollte mich über ein Reiserad informieren. Denn die Sehnsucht, wieder mit den Rad zu reisen, ist mittlerweile so aufgestaut, dass es Zeit wird. Man wollte mir auch gleich ein E-Bike andrehen- von dem ökologischen Wahn von E-Bikes redet nur leider keiner. Und auch vom hohen Unfallrisiko wollte man so gar nichts wissen. Wurde doch gerade ein solches einem fast zittrigen Herrn angedreht.
Ja, den Kurpark Salzufflen kenne ich auch als Kind, wenn auch ein paar Jahre später. Ob der Papagei noch lebt, dem ich dort damals ein paar Worte entlockt habe? Mich hat das Betretungsverbot des Rasens nicht gestört, es war eben normal. Und irgendwie hatten wir auch einen anderen Respekt vor dem Eigentum anderer Menschen. Vielleicht ist das Training von Grenzen, die wir heute in allen Lebensbereichen ja nicht mehr zu haben scheinen, gar nicht so verkehrt.
Zäune und Schilder vor Gefahrenstellen sind in unserer Gesellschaft schon niedlich. Werden sie am Kreidefelsen auf Rügen doch konsequent überschritten und bringen dann andere Menschen in Gefahr. Wenn ich an Norwegen denke, wo es an engen Passstraßen manchmal keine Leitplanken gibt….
Ich muss zugeben, ich mag Kurparks, auch den in Bad Oeynhausen. Ich mag die Ruhe dort und mag es, wenn Kinder auch mal nicht entfesselt sein können. Aber es ist richtig, dass wir ihnen Plätze geben. Und wenn wir in der Nebensaison ein überdimensioniertes dem Ausblick in Weg stehendes Wohnmobil sehen, dann stellen wir uns mit unseren Kindern daneben und wissen- gleich wird die Sicht wieder frei sein:-)
Ich denk viel an Euch mit Eurem Geschäft in dieser Zeit und hoffe, dass Ihr mit dem augenblicklichen Geschehen trotzdem halbwegs über die Runden kommt.
Herzlicher Gruß von Kai