Freie Fahrt auf der „ADAC“-Insel
In den letzten beiden Artikels habe ich die „Stadt“ Norderney bewusst ausgeklammert. Tut mir leid – hatte auch seinen Grund.

Es gab da halt schon etwas, das mir nicht gefiel. Wie soll ein „Insel-Feeling“ aufkommen, wenn da so viele mit dem Auto drauf rumfahren. So groß ist die doch nicht.

Könnt Ihr Euch noch an die alten Zeiten erinnern? Als noch eine einzige Bemerkung des ADAC-Präsidenten zum Thema „freie Fahrt für freie Bürger“ ein erschütterndes Beben im Bundeskanzleramt auslösen konnte? Ist ja lange her. Und inzwischen haben die Auto-Konzerne ihren Lobbyismus längst selbst in die Hand genommen. Können die besser.
Und was hat das mit Norderney zu tun?

Norderney erscheint mir wie ein Relikt aus dieser Zeit. Für mich war diese Insel die gute Wahl, da sie auch mit Bahn gut erreichbar ist. Viele Gäste lassen aber ihr treues Auto 45 min. über die See schippern, um die letzten 2 Kilometer damit zum Feriendomizil zurückzulegen. Wer´s braucht.
Für den 5-Stunden-Flug auf die Balearen reicht der Rollkoffer, aber für Norderney muss der eigene Verbrenner mit.

Genauso maßlos wie bei den Autos scheint auch das Bauamt bei der Genehmigung von Häusern zu sein. Ich bin mal gespannt, wieviele Besucher die Insel so vertragen kann. Was man noch als „angenehm“ empfindet. Bauten mit sechs oder sieben Geschossen verdichten den Lebensraum enorm. Ausserdem sehen sie nicht gut aus, besonders wenn sie alt werden. Und da haben einige schon die besten Jahre hinter sich.

Es war mein erster Besuch auf Norderney nach einer Pause von 18 Jahren. Ganz früher, als kleine Kinder, waren wir dort öfter. Meist im Hotel Waterkant. Leider bin ich jetzt nicht hinein gegangen. Laut Booking.com-Rezensionen soll einiges Interieur noch aus den 1970er Jahren stammen. Dass sich die aktuellen Gäste darüber beschweren, kann ich nachvollziehen. Aber vielleicht hätte ich ich mich gefreut und noch einiges wiedererkannt. Besonders der schmuddelige („ist natur“!) Meerwasserpool, in dem ich schwimmen lernen sollte. Heutzutage auch in den Bewertungen immer wieder ein reizvolles Thema.


Aber noch einmal zurück zu den Autos: Ausserhalb der Stadt existieren nur ein paar wenige sehr zentralisiserte Besucherparkplätze. Sie könnten spielend mit einem regelmäßigen Busverkehr oder Fahrrad erreicht werden. Man könnte den Fahrpreis gleich durch die Touristenabgabe erheben. Wäre doch easy. Wozu die Parkplätze dort? Warum mit Auto dorthin?
Willkommen auf der ADAC-Insel! Willkommen im Vorgestern.
Links Hochzeit und rechts Schlösser – wie geht das denn?
An einer Stelle musste ich etwas in mich hineinlachen. Geht es eigentlich noch „spießiger“? Gegenüber vom Bademuseum kann man sich ein Musterbeispiel für emotionale Verzwergung anschauen. Da hat sich die Stadtverwaltung etwas tolles ausgedacht. Direkt neben dem Sammelpunktschild im Gefahrenfall wurde eine Extrawand für „Hochzeits-Schlösser“ aufgebaut. Man bemerke: ohne Bindestrich! Habe nicht nachgefragt, aber passend hierzu wäre noch eine Verfahrensanleitung – so eine Art umgeschriebene Friedhofssatzung mit Gebührenordnung.

Aber es findet sich nicht jeder damit ab! Leuchtendes Beispiel vom Schiffswrack am Ostende der Insel. Vielleicht ist dieses auch einfach nur ein „Treue“-Schloss – und dürfte damit laut Gemeindeordnung nicht an der „Hochzeits“-Schlösser-Wand angebracht werden. …sicher wird das der Grund sein…

Insel erkunden

Entfernt man sich von der Stadt im Westteil der Insel, wird Nordereny von Kilometer zu Kilometer schöner. Vieles kann man gefahrlos mit Fahrrad erradeln. Und wenn mal etwas ungewöhnlich ist – wie ein Gefälle – ist es auch extra beschildert. Kann (fast) nichts passieren. Wildes Norderney.

Es lohnt sich, sein Gefährt an einem der östlichsten Parkplätze abzustellen und von dort zu einer Wanderung zu starten. Hier kann man noch ein richtiges Stück Natur erleben – und in der Nebensaison morgens früh sogar die Einsamkeit geniessen.


Etwas hat mich noch überrascht. Fast jeder im Ort kannte die Fährzeiten. Einen Tidenplan hatte jedoch kaum jemand zur Hand. Total verstädtert, diese Norderneyer.

Diesen sollte man aber auf jeden Fall im Blick haben, wenn man durch das Inland bis zur Ostspitze Norderneys wandern möchte. Durch das hineindrückende Wasser kann so mancher Weg sehr nass werden. Oder sogar unpassierbar.




Hat man das Ende der Insel erreicht, so ist fast überraschend schon wieder Zivilisation in Sicht – Baltrum. So nah und doch zu Fuß unerreichbar.

Abschied

Ich verlasse Norderney mit gemischten Gefühlen. Das Wetter war klasse, der Ostteil der Insel lang und abwechslungsreich.
Dank Ingrids gastfreundlichen und sehr sympathischen Art mit ihrer Pension in zentraler und gleichzeitig ruhiger Lage wurde das „städtische“ Norderney recht erträglich. Das war wirklich nett!

Ist man auf die Mobilität mit eigenem Fahrzeug nicht angewiesen, kann ich mir als ruhige Alternative auch eine der Nachbarinseln vorstellen. Ruhiger und „inseliger“.
Die beiden in ihren Seekajaks auf der Rückfahrt machten auf jeden Fall Stimmung für einen nächsten Besuch auf der Insel – egal, auf welcher.

2 Gedanken zu “Stadt und Insel Norderney”
Oh ja, der Tourismus. es geht nur um mehr und noch mehr und noch viel mehr. Schafft ja Jobs und unbezahlbare Wohnungen. Nordeustchland stranguliert sich mit seinem Tourismus selbst. Irgendwann wird die Karawane weiterziehen weil es hier so unerträglich voll ist. Aber einen Scherbenhaufen zurück lassen.
Auf Sylt ist es nicht anders. Bei unserem letzten Besuch stellte Mercedes seine neuen Spritschleudern vor und genauso dämlich wie das Mercedes Marketing zum Thema Nachhaltigkeit sind die ignoranten und egozentrischen Besucher mit ihren PS Schleudern. Hektisch und aggressiv. Dabei zerstören gerade solche Menschen unseren Norden und sorgen durch ihre ungezügelte Lebensweise für den Untergang unserer Inseln. Aber dann ziehen auch sie wieder weiter und lassen uns damit zurück.
Tourismus müsste deutlich nachhaltiger werden und dazu kann auch die Verdrängung des Autoverkehrs gehören. Das würde der Attraktivität nicht schaden. Juist und Borkum zeigen es erfolgreich.
Aber stattdessen wird bei uns auf die Insel Sylt der Takt der Autozüge erhöht, um noch mehr von diesen Inselzerstörern zu transportieren. Genau das Gegenteil wäre richtig. Und würde dem Tourismus bestimmt nicht schaden.
Aber so ist das, wir denken alle klein und meckern lieber über die Schüler, die Freitags für besseres Klima demonstrieren.