Nach ein paar kommentarlosen schwarzweiss-Bildern im letzten Beitrag möchte ich doch noch ein paar Gedanken zu einem Juist-Kurztripp im Januar weitergeben. Das Wort „fast“ im Titel steht übrigens nur als Platzhalter für einen Inselaufenthalt ohne eine einzige Minute Sonnenschein. Das ist halt typische Wetter-Lotterie im Januar. Statt Sonnenauf- und Untergang hätte man den Tag auch einfacher in „hell“ und „dunkel“ einteilen können.
Was allerdings den Kurzurlaub nicht schmälert. Eher das Gegenteil. Einfach nachts ausschlafen in Ermangelung von Sternenhimmel zur Astrofotografie. Ene angenehme Limitierung der Optionen.
Was erwartet mich?
Ja, es gibt sie: eine Wanderkarte von Juist. Ausserhalb des Siedlungsgebietes gibt es zwar – mit kleinen Ausnahmen – nur einen einzigen befestigten Weg nach Westen und einen einzigen nach Osten. Dafür sind allerdings auch die Strandübergänge, der Rundweg um den Hammersee etc. genau eingezeichnet. Wer das Gefühl hat, sich ohne Karte zu verlaufen, den kann ich allerdings beruhigen. Die Insel ist max. 900m breit.
Auf der Sandbank an der Westseite kann man sich bei Nebel schon ziemlich verloren vorkommen – da hilft dann eine Wanderkarte aber auch nicht mehr viel.
Und sonst so? Ruhe, viel Ruhe. Man hat so das Gefühl, dass die Insel im Winterschlaf ist. Supermärkte sind geöffnet, ein paar wenige Restaurants und Cafés auch. Wer aber seinen Tee oder Kaffee nicht in der Thermoskanne dabei hat, der wird gerade auf längeren Wegen das ein oder andere Café vermissen. Muss man einplanen. Geht.
Und dann ist da noch die Sache mit den Pferden… . Ausser Rettungsfahrzeuge wird ja – zumindest noch – alles per Pferdefuhrwerk transportiert. Selbst die Mitarbeiter der Müllabfuhr spannen morgens Pferde vor ihre Kutsche. Alles läuft ruhig, entspannt. Und wenn ein Fahrzeug durch den Ort fährt, dann hört man nur das Hufgeklapper der Tiere – richtig mittelalterlich. Im krassen Gegensatz zur Nachbarinsel Norderney. Pferdeäpfel statt Benzingeruch.
Thermalbad war wegen Reparaturarbeiten auch geschlossen, dafür gab es auch keine Gästeabgabe. Und das Meer war trotzdem da – 24/7 – gratis! Das ist ja der große Vorteil auf den Inseln im Vergleich zum Festland im niedersächsischen Wattenmeer. Statt Wattzeiten ist das Meer immer da.
Wettergarantie?
Ja – definitiv! Wie überall gibt es dort jeden Tag Wetter. Nur welches, das ist Ende Januar kaum langfristig vorherzusagen. Schnee, Eis, Sonne pur – oder wie bei mir beständig mit „null“ Sonnenstunden. Für Menschen, die den Strand und das Meer auch ausserhalb der Sommermonate geniessen können, aber kein Hindernis.
Alternativ kann man solche Ausflüge vielleicht auch so kurzfristig planen, dass man das „Wunsch“-Wetter zumindest etwas vorhersehen kann. Aber: Inselwetter – es kann sich manchmal auch sehr schnell ändern.
Kleine Anmerkung zum Strand
Natürlich musste ich wieder Muscheln fotografieren, macht glaub ich jeder von uns. Und auch so ein gigantisches Knäuel unterschiedlichster Seile und Taue. Könnt ja mal gern durchzählen, wieviele verschiedene Sorten hier zusammengeknotet sind.
Doch gab es einige Dinge, die ich vor einem Jahr bereits auf Norderney gesehen habe: Acryldecken, Werkzeugkästen, Fahrrad-Steckbleche – und altbekannte grüne Kinderjacken. Ich sprach mit ein paar fleissigen Menschen, die wieder einmal den Strand nach angeschwemmten Müll absuchten. Diese Kinderparka werden tatsächlich seit einem Jahr immer wieder angespült. Inzwischen würden sie auseinanderreissen, wenn man sie aus dem Sand zieht. Sie stammen vom Containerschiff MSC Zoe. Über 300 Container liegen da vor den Inseln und entleeren sich langsam. Und nach Auskunft der Helfer ist lange noch kein Ende abzusehen – manche von den Containern öffnen sich jetzt erst.
Anreise
Der „Knotenpunkt“ auf dem Weg nach Juist ist Norddeich Mole. Viele kennen ihn auch durch die regelmäßigen Fähren nach Norderney. Riesige Parkplätze machen eine Anreise per Auto möglich, aber aus meiner Sicht ist eine Bahnfahrt dorthin – gerade wenn man nicht als Familie oder Gruppe fährt – gut möglich.
Wenn ihr auf eurem Weg per Bahn den doppelstöckigen IC erwischt, dann setzt euch unbedingt OBEN hin. Dann seid ihr in der höchsten mobilen Erhebung der Gegend unterwegs. Das Land ist hier ja bekanntlich soooo flach, dass ihr kilometerweit schauen könnt!
Wenn man nicht mit einem kleinen Flugzeug exclusive in ein paar Minuten auf die Insel gebracht werden möchte – und das dürfte eher die Ausnahme sein – so gilt es die Tide zu beachten. Das Fährschiff fährt die 90 Minuten von und nach Juist nur 1x täglich und das zu unterschiedlichen Zeiten. Als Bahnfahrer finde ich das besonders wichtig zu beachten. Aus unserer Region kommt man z.B. nicht vor Mittag in Norddeich mit der Bahn angereist. Also alle Tage mit vormittags-Verbindungen fallen dann als Anreisetag aus. Und umgekehrt ist das mit der Rückfahrt auch nicht allzu leicht. Deshalb: schaut als erstes auf die Fährzeiten!
Ein wenig Zeit zwischen Bahn und Schiff kann man auch in Norddeich Mole verbringen. Zum Beispiel dreihundert Meter im Inland noch einen Kaffee und Kuchen in der Bäckerei essen. Oder… sich über Seebestattungen informieren. Westlich von den Fährterminals gibt es auf dem Deich inzwischen eine kleine Gedenkstätte mit Plaketten der Verblichenen.
Und – wieder hin?
Es war jetzt mein dritter Nordsee-im-Winter-Tripp. Erst St.-Peter-Ording, dann Norderney und jetzt Juist (der Valencia-Januar-Tripp war die Ausnahme). Die Insel hat mir gut gefallen, besonders im krassen Kontrast zum autonervigen und hochhausbebauten Norderney. St.-Peter-Ording ist ein ganzes Stück weiter im Norden, was die Anreise verlängert. Auf der anderen Seite ist man nicht auf ein Schiff angewiesen und kann (zusätzlich) auf dem Weg noch in Hamburg einen Zwischenstopp einlegen. Aber wer Lust hat auf lange Strandwanderungen und sich nicht an markantem Wetter stört, der kann sich auf der autofreien Insel Juist so richtig erholen. Näheres zur Insel findet Ihr auch auf der offiziellen Juist-Seite.
Gern hätte ich mir statt bei permanent geschlossener Wolkendecke auch die sonnige Seite der Insel angeschaut. Vielleicht beim nächsten Mal…
2 Gedanken zu “Juist in -fast- bunt”
Hallo Jürgen,
ich bin über das kwerfeldein Magazin auf Deine Seite gestossen. Ich hinterlasse selten Kommentare – es wird sowieso viel zu viel gequatscht in der heutigen Zeit. Aber manchmal muss man doch seinen Senf dazugeben – einfach weil es für den Moment wichtig erscheint.
Deine Bilder wecken Erinnerungen an meine vielen Ostseebesuche im Winter. Ich liebe den Norden Europas – vor allem wenn das Wetter eben nicht Mainstream-mässig blauhimmlisch ist. Genau dann hat man die Zeit den Ort nicht nur zu entdecken sondern auch zu erkennen. Danke für Deine wundervollen Eindrücke. Wäre ich nicht so weit weg (Schweiz) würde ich sofort los. Ich werde mir den Ort aber auf meine „will-ich-mal-hin“ Liste packen. Herzliche Grüsse
Susan
Hallo Susan,
ich denke, wir sind alle auf der Suche nach einer Balance – auch in Bezug auf unsere Umgebung; die Orte, die wir besuchen. Die, die an der Nordsee leben, möchten in die Alpen. Wer in (traditionell zumindest) feuchten Regionen wohnt, sucht die Sonne am Mittelmeer. Irgendwie komisch, aber mit dem Gedanken von Ausgleich/Balance leicht erklärbar. Da wird es dann auch klarer, warum wir aus unserer Gegend auch sooo gern in den Alpen sind.
Was können wir ergänzend machen? Die Region, in der wir unsere meiste Zeit verbringen, immer wieder mit offenen Augen sehen und wahrnehmen. Du gehörst mit deinem wachem Blick für deine Umgebung und den daraus resultierenden schönen Fotos definitiv zu denen, die das schaffen!
Jürgen