An einem 30 Quadratkilometer großen Flachsee zwischen Steinhude und Mardorf.
Seit Monaten durchkämmen wir zu Fuß oder mit Fahrrad die Wälder und Felder in Ostwestfalen. Sehr schön, gerade im Frühjahr – keine Frage. Und gerade mit den unvermeidbaren Einschränkungen durch die winzigen Dinger mit dem großen C. am Wortanfang. Doch der Drang nach „Meer“ wird von Woche zu Woche größer. Was spricht dagegen, einfach mal bei Sonnenaufgang loszuradeln und dem einzigen See in der Nähe, der das Wort „Meer“ im Namen trägt, einen Besuch abzustatten. Auf zum Steinhuder Meer!
Der Fliegenpilz in Mardorf
Mein erstes Lieblingsziel ist immer wieder der Fliegenpilz-Kiosk in Mardorf. Der Betreiber startete gerade seine Vorarbeiten, um gegen 11:00 Uhr zu öffnen. Leider zu spät für mich. Wer wartet schon gern über zwei Stunden auf einen Kaffee.
Kennt Ihr die Geschichte „hinter“ diesem komisch wirkenden Kiosk? Ihr könnt Euch kaum vorstellen, wofür der mal werben sollte…
Der Pilzkiosk (die Geschichte dazu auf Wikipedia) sollte in den 1950er Jahren für Milch- und Milchprodukte werben. Was hat das bloß mit einem Fliegenpilz zu tun? Auf jeden Fall stellte die Firma Waldner dafür knapp 40 Milchverkaufsbars in Form eines Pilzes her. Einige davon sind noch erhalten – so auch das Exemplar in Mardorf.
Zurück zum Meer
Einer meiner ersten Eindrücke war der Vergleich mit den Seen in Masuren, die wir im letzten Sommer besucht haben. Segelboote, Wasserfläche, Stege und Ufer mit Schilf. Allerdings ist das Steinhuder Meer der größte See im Einzugsgebiet von Hannover und damit nicht annähernd so ausgedehnt und wenig genutzt wie die Masurische Seenplatte. Und so einsam, wie die Gegend morgens wirkt, bleibt sie leider nicht den ganzen Tag.
So groß der See auch ausschaut, so viel Wasser wie vergleichbare Talsperren oder Alpenseen hat man nicht vor sich. Das Steinhuder „Meer“ ist im Durchschnitt nur 1.35m tief – an der tiefsten Stelle 2,90m.
Trotzdem kann man sich zurücklehnen, die Füße in den Sand stecken und hinaus aufs Wasser schauen. Irgendwie wirkt Wasser doch beruhigend und lässt in einem das Gefühl von Urlaub hochkommen.
Auf nach Steinhude!
An der Ostseite des Sees kann man durch das Moor nach Steinhude radeln. Auf dem Weg dorthin gibt es einige Aussichtspunkte, Stege und Tafeln, um sich über die Geschichte und Nutzung des Moores zu informieren.
Ich muss hier unbedingt erwähnen, dass die Natur der ganzen Gegend inzwischen unter Schutz steht – und das auf sehr vielfältige Weise. Die Küstenbereiche sind in vier Naturschutzgebiete eingeteilt, alles zusammen ist ein Landschaftsschutzgebiet, gleichzeitig Fauna-Flora-Habitat-Gebiet, Vogelschutzgebiet …und „Naturpark Steinhuder Meer„.
Früh morgens ist es hier noch sehr leer und das Fahrrad fahren macht noch richtig Spaß. An einem Sonn- oder Feiertag möchte ich hier aber nicht mitten am Tag entlang kommen. Da dürfte es viel zu voll werden. Im Jahr zählt man rund um das Steinhuder Meer zwei Millionen Besucher, die meisten davon im Sommerhalbjahr und speziell an Sonn- und Feiertagen…
Steinhude mit seinen vielen Wochenendhäusern und der Architektur eines kleinen Ostseebades im Stil der 1950er wirkt auf mich immer recht klein und übersichtlich. Eine kleine Fußgängerzone, Ein paar Buden mit frischen Fischbrötchen, ein paar Gastronomiebetriebe und Cafés reichen aber für eine kleine Reiseunterbrechung völlig aus. Noch eine kurze Aufklärung für die Fischesser unter euch: Rächeraal „Steinhuder Art“, der hier als Delikatesse angeboten wird, kommt zu etwa 90% aus anderen Gebiete wie zum Beispiel die dänische Ostsee. So viele Aale gibt das „Meer“ hier nicht her.
Was auf jeden Fall in Erinnerung bleibt, ist das klassische Steg-Bild. Normalerweise erfordert der See- und Wellengang eine Langzeitbelichtung, um die Wasseroberfläche besonders glatt und weich erscheinen zu lassen. Am Meer „Steinhuder Art“ reicht da am frühen Morgen manchmal auch schon eine offene Blende und eine 1/5000 Sekunde.
9 Gedanken zu “Wann ist ein Meer ein Meer?”
Hi Jürgen,
beeindruckend schön, und die zeitliche Besonderheit lebt sehr deutlich in den Fotos.
Danke für´s „Mitnehmen“…
Herzlich,
Dirk
Schöne maritime Motive – es muss ein Meer sein!
Und Corona ermöglicht ungewöhnliche, menschenleere Motive…
Es wird wieder andere Zeiten geben.
Gruß Thomas
Hallo Thomas,
wir alle verbinden Urlaub, Feiertage, Ferien mit ausschlafen/spät aufstehen. Vielleicht sollten wir in Gebieten dieser Art grundsätzlich früh aufstehen – auch nach Corona. Kamera in die Hand und los, wenn´s am schönsten ist. Ich merke aber, dass mir das immer wieder sehr schwer fällt. Wie den anderen dort eben auch…
Grüße
Jürgen
Memories…. schon so lange her, dass ich dort war. In meiner Zeit in Minden bin ich immer wieder dorthin gefahren. Und ich meine, Reinhard Mey hat sogar ein Lied über das Steinhuder Meer und einem Rettungspiloten gemacht.
Ich muss mal dringend wieder in Eure Umgebung kommen.
Lieber Gruß
Kai
Hallo Kai,
warum – bitteschön – heisst die Ostsee nur „..see“ und das Steinhuder Meer „Meer“? Aus meiner Sicht bist Du der nördlichst gelegene Fachmann, der mir das erklären kann.
(bei uns im Ort nenne wir den Anleger auch stolz „Vlothoer Hafen“ – auch wenn es sich in Wahrheit nur um eine Kaimauer an der Weser handelt..)
Schöne Feiertage
Jürgen
Also mit der Ostsee kann ich es nicht so genau sagen aber mit dem Steinhuder Meer. Das war laut Käptn Blaubär so: Damals, vor langer Zeit, wollten Blaubär und Hein Blöd zum Eisfischen nach Norden. Sie waren der Meinung, wo es Eis gäbe, gäbe es auch Fischstäbchen. Sie fuhren über die Ostsee immer weiter nach Norden. Doch dann kam der Winter. Es wurde dunkel und um das Boot von Blaubär fror alles zu. Sie suchten verzweifelt, denn irgendwo im Eis sollte doch der Käptn im Iglo einen FabrikShop haben. Weisst schon, die Fischstäbchen….
Aber sie fanden nichts und das Eis wurde immer dicker. Doch bald zog das Eis gen Süden, als riesengroßer Gletscher. Sie konnten nur hoffen, alsbald ins VW Land zu driften, denn sie hatten gehört, dort gäbe ein Hersteller sich alle Mühe, mit unzähligen Motoren das Klima gegen die Vereisung zu schützen. Denn Eis auf den Autobahnen würde dem Absatz der Autos dieses Motorenherstellers bitter schaden.
Und in der Tat, mit der Wechseleiszeit landeten sie in Steinhude und das Eis war flux getaut. Irgendwo fanden sie am Ufer eine Fischbude. Hein fragte Blaubär, wo sie denn wären. Da blickte Blaubär auf ein gelbes Ortschild, Steinhude.. „Hein, wir sind auf dem Steinhuder Meer“. Und da hinten in Hannover und Wolfsburg soll es nur von Haien so wimmeln. Da fahren wir lieber nicht hin. Lass uns erstmal an Land und Fisch essen. Oder so ähnlich.
Euch auch eine schöne Zeit.
Lieber Gruß
Kai
Oh, oh.
Als Mensch mit NRW-Abi und ohne Erdkunde-LK habe ich doch wichtige Themen verpasst. Schön, dass Du diese Bildungslücke schliessen konntest. Danke!
Jürgen
Toller Blogbeitrag – authentisch und schön zu lesen.