Was ist das für eine Stadt am Meer?
Um 1852 soll Kaiserin Eugénie als Ehefrau von Napoleon III das kleine Fischerdorf am Atlantik durch ihren zweimonatigen Besuch aus seinem Dornröschenschlaf gerissen haben. Sie konnte dabei kaum ahnen, dass sie damit für die folgenden 100 Jahre die Entwicklung gravierend prägen würde.
Die Belle Époque, der Charleston und nicht zuletzt Besucher wie die österreichische Kaiserin Elisabeth („Sissi“) hinterließen Spuren.
Was heißt das für die Fotografie? Wie kann man diese Architektur und deren historisches Flair in eine Bildsprache umsetzen? Mit dem fujitypischen Provia und seinen leuchtenden Farben geht das meines Erachtens nicht. Viel zu bunt und zu wenig angepasst an die historische Bausubstanz.
Was ist „Pro Neg Hi“?
Die Simulation eines „alten“ Fuji-Analogfilmes ist schon von Anfang an bei allen Fuji-X-Kameras dabei. Nach Fujis eigenen Aussagen (siehe ihre Grafik) ist es eines der unbekanntesten Entwicklungseinstellungen. Stimmt – und sehr wohlwollend formuliert!
Über alles wird im Netz diskutiert und jede neue Film-Variante vom ersten Rumor bis zum letzten Test halb tot diskutiert. Aber „Pro Neg Hi“? Vielleicht ist schon diese Wortverstümmelung der größte Hinderniss für einen Erfolg. Denn ein solches Nischendasein hat das Ergebnis nicht verdient. Kann sich da nicht mal einer einen besseren, einprägsamen Namen ausdenken? Oder zumindest nur die Anfangsbuchstaben in englisch: PNH – „pieh-en-eitsch“
Aber schauen wir doch zunächst noch einmal darauf, welche Infos Fuji zusätzlich gibt. In der offiziellen Beschreibung wird die Simulation als recht weich bezeichnet. So sollen bei improvisierten Portraits Schatten ihre Schwere verlieren. Hmm. Ich sehe trotzdem immer noch eine angenehme kontrastreiche Bildsprache mit einem recht kraftvollem Ausdruck.
Die Farben erinnern mich sehr an das beliebte Fuji Classic Chrome, wobei der blau-zu-türkis-verschoben-Farbstich vermieden wird. Das Blau des Himmels wirkt bei CC leicht unnatürlich. Zusätzlich werden die Rottöne etwas hervor gehoben und dadurch eine sehr warme, aber nicht gelbstichige Atmosphäre dargestellt.
Noch mal zurück zum Ort
In den 1960er Jahren änderte sich das Stadtbild. Die großen Wellen im Golf von Biscaya lockten eine neue Sportlergeneration an – die Surfer. Nur 100 km vor der Küste ist das Meer schon über 1000m tief und damit ein guter Motor für die perfekte Welle. Ideal für begeisterte junge Menschen, denen Kaiserin Eugénie unbekannt und Sissi egal ist. Eine andere Welt.
Und wie schlägt sich die Farbentwicklung im Abendlicht?
Egal, ob Surfer oder mondäner Gast: Zum Abend versöhnt die im Meer untergehende Sonne mit ihrem warmen Licht beide Seiten dieser Stadt.
Mit dem „Pro Neg Hi“-Export bin ich auch hier sehr zufrieden. Warme Töne mit etwas „punch“ – finde ich sehr natürlich.
Habe ich ein Eiffel-Syndrom?
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass mich in letzter Zeit ein Architekt verfolgt: Gustave Eiffel. Der metallene Steg zur Insel gehört schon wieder zu seinen zahlreichen Bauwerken. Eiffelturm in Paris, Ponte Dom Luís in Porto, die Brücke in Viana do Castelo
Zum Schluss möchte ich noch etwas zurecht rücken, wenn es um die Farbnuancen geht. Ohne „bunt“ geht es selbstverständliche auch:
Aber eigentlich egal, wie man die Farbe anordnet: Biarritz ist und bleibt eine besondere Stadt! Lohnt sich.
Und Fujis Pro Neg Hi auch.
Ein Nachtrag zur Bearbeitung: Sie fand in Adobe Lightroom mit der entsprechenden Film-Emulation statt. Alternativ könnte man die RAWs auch mit weiteren spezifischen Entwicklungseinstellungen aus der Kamera heraus exportieren.
Größere Fotos gibt es hier zur Ansicht:
3 Gedanken zu “Biarritz und Fuji Pro Neg Hi”
Hallo Jürgen,
Kompliment zu den tollen Bildern und dem Artikel. Das hat mich überzeugt, dieser Filmsimulation eine Chance zu geben. 👍
Liebe Grüße,
Martin
Hallo Martin,
oh weh, wie fern mir plötzlich so Städte wie Biarritz vorkommen – obwohl sie doch trotz/nach Corona-Stillstand wieder erreichbar sind. Du wirst da einige deiner Lieblingsreiseziele bestimmt genauso vermissen!
Ich neige immer wieder dazu, die Tiefen zu sehr aufzuhellen. Ist wohl so eine typische Krankheit des homo sapien digitalis photosiensis, oder wie diese Spezies heißt…. Der Pro Negativ schafft es irgendwie, dunklen Bereichen Details zu geben, ohne den „punch“ zu verlieren.
Grüße
Jürgen